80 Tage Stillstand

Eiszeit in der Koalition

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Seit Budget-Pakt steht Koalition. Schule, Uni, Heer – alles wartet.

Kanzleramt, Dienstag Vormittag: Die Stimmung ist fast honigsüß. Simpler Grund: Gleich vier ÖVP-Capos fehlen in der 18er-Runde (geladen sind alle Minister, Staatssekretäre, die beiden Klubchefs): Vizekanzler Josef Pröll, Innenministerin Maria Fekter, Außenminister Michael Spindelegger und ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf sind verhindert.

Das Bild aber täuscht: In der Großen Koalition herrscht derzeit vor allem eines: Eiszeit. Seit sich die SPÖ aufgemacht hat, die Wehrpflicht endgültig in die ewigen Jagdgründe zu verbannen, geht in der Regierung kaum noch etwas weiter. Gestern musste selbst die Vorratsdatenspeicherung von Handydaten , die seit Monaten von SPÖ-Infrastrukturministerin Doris Bures und Justizministerin Claudia Bandion-Ortner verhandelt wird, aufgrund eines VP-Njet vertagt werden.

Das ist fast Rekord: Der letzte nennenswerte Beschluss der Regierung von SP-Kanzler Werner Faymann und VP-Vizekanzler Josef Pröll liegt 80 Tage (!) zurück. Am 1. Dezember wurde im Parlament das Budget fixiert. Seither wird blockiert und verschoben: von der Rot-Weiß-Rot-Karte über Verwaltungsreform und Bildungspolitik (siehe Liste unten).

VP-Chef Pröll sagt denn auch im ÖSTERREICH-Interview: "Die politische Debatte hat sich auf einen Nebenschauplatz verrannt." Damit meint Pröll die SPÖ-Kampagne für das Wehrpflicht-Aus.

In der Kanzlerpartei will man hingegen "nichts" von einem Stillstand wissen: Es werde hinter den Kulissen eifrig an der neuen Sicherheitsstrategie gearbeitet. Tatsächlich dürften sich SPÖ-Verteidigungsminister Norbert Darabos und VP-Außenminister Michael Spindelegger bis Ende Februar auf ein "gemeinsames Sicherheitskonzept" einigen. Allerdings beginnen dann erst die Debatten über die Wehrpflicht.

Neue Koalition
Damit startet auch ein brutaler politischer Zwischenwahlkampf auf gleich zwei Fronten – SPÖ mit Grünen und ÖVP mit Straches Blauen:

  • Eine rot-grüne Front wird dann Stimmung für die Umstellung auf ein Berufsheer machen.
  • Schwarz-Blau wird hingegen für die Wehrpflicht kampagnisieren.
  • Rot-Grün will zudem endlich die gemeinsame Schule. Schwarz-Blau besteht weiter auf Gymnasium und Hauptschule.
  • Und last, but not least werden SPÖ und ÖVP dann um die neue ORF-Geschäftsführung pokern: Auch hier könnte es SPÖ, Grüne und BZÖ gegen Schwarz-Blau heißen.

Die ORF-Wahl am 9. August könnte dann gemeinsam mit der Volksbefragung über die Wehrpflicht über das Schicksal der Koalition entscheiden.

Was jetzt alles auf Eis liegt:

  1. Keine Schul-Reform: 

    SPÖ und ÖVP haben sich nur auf Fahrplan geeinigt. Inhalte sind umstritten.
  2. Uni-Reform? Bitte warten!
    
Es wird noch um Studiengebühren und bessere Studienplätze gerungen.
  3. Bundesheer neu: Blockade

    Koalition einigt sich auf Sicherheitsstrategie, aber nicht auf Wehrpflicht.
  4. Wo ist Verwaltungsreform?

    Von beiden Parteien versprochen, geht hier gar nichts mehr weiter.
  5. Gesundheitsreform gestoppt

    Pläne Spitäler zu schließen, werden von den Ländern zu Tode verhandelt.
  6. Groteske um Rot-Weiß-Rot-Karte

    Bereits vor Monaten präsentiert, ist die "Zuwanderer"-Karte noch nicht fixiert.
  7. Ortstafeln für Kärnten: Pakt fehlt

    SP-Staatssekretär Josef Ostermayer bemüht sich redlich um Lösung.
  8. Streit um Handy-Speicherung

    Wer zahlt? Wie lange dürfen Handy-Gespräche gespeichert werden? Koalition schafft nicht einmal hier Minimal-Konsens.

 

VP-Chef Pröll: »Debatte hat sich verrannt«

ÖSTERREICH: Derzeit scheint die Koalition stillzustehen. Was läuft schief?
Josef Pröll: Die politische Debatte hat sich auf einem Nebenschauplatz verrannt. Die Fragen der Sicherheit Österreichs und der Bundesheer-Reform gehören geregelt, ohne großen Parteienstreit. Wir dürfen darüber nicht den Blick für andere und entscheidende Zukunftsthemen verlieren: Wie sichern wir unsere Pensionen? Was tun wir gegen Sozialmissbrauch? Und, alles entscheidend: Was tut diese Regierung für Aufschwung, Wachstum, Einkommen und Arbeitsplätze.

ÖSTERREICH: Es dominiert aber hauptsächlich das Thema Wehrpflicht, oder?
Pröll: Noch mal: So ein Thema gehört nicht in den Parteienstreit. In der Frage der Sicherheit Österreichs brauchen wir einen rot-weiß-roten Schulterschluss. Der Alleingang von Norbert Darabos war nicht sehr hilfreich.

ÖSTERREICH: Auch im ORF geht es rund – siehe Meischbergers E-Mail, in der er Aufträge vom ORF für seine Unterstützung wollte. Wird die ÖVP Wrabetz unterstützen?
Pröll: Das Ganze wirft kein gutes Licht auf die seinerzeitige Wahl des ORF-Generaldirektors. Die im Raum stehenden Vorwürfe gehören restlos aufgeklärt – mit allen dann notwendigen Konsequenzen. Der ORF braucht programmliche Erfolge, absolute Unabhängigkeit gegenüber politischer Einflussnahme und wirtschaftliche Kompetenz in der Führung. Das sind nicht unbedingt die Stärkefelder des amtierenden Generaldirektors.

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