Justizministerin Maria Berger plant Erleichterungen beim Privatkonkurs, um mehr Schuldnern den Ausstieg aus der Schuldenfalle zu ermöglichen.
100.000 überschuldete Haushalte und fast 9.000 Privatkonkurse in Österreich lassen die Alarmglocken klingen.
Erweiterung der "Billigkeitsgründe"
Kernpunkt der
Reform ist eine Erweiterung der "Billigkeitsgründe", die der Schuldner bei
Gericht anführen kann, wenn er die gesetzliche Mindestquote von 10 Prozent
nicht erfüllen kann. Künftig sollen nun auch Gründe wie schwere Krankheit
oder langanhaltende Arbeitslosigkeit berücksichtigt werden, sagte die
Justizministerin am Dienstag bei einer Pressekonferenz, bei der auch das
neue Gütezeichen für anerkannte Schuldnerberatungsstellen vorgestellt wurde.
Dadurch könne für Betroffene im Einzelfall eine flexiblere Lösung gefunden
werden. Darüber hinaus soll gesetzlich sichergestellt werden, dass teure
Exekutionsverfahren für die Schuldner nicht zu weiteren Kostenexplosionen
führen, sondern rascher ein Insolvenzverfahren eingeleitet werden kann.
Begrenzen will Berger auch die Inkassokosten. Denkbar wäre ein eigenes Tarifsystem, wie bei Rechtsanwälten. Außerdem soll es auch detaillierte Ausübungsregeln für Inkassoinstitute geben. In diesem Fall sei auch das Wirtschaftsministerium zuständig, so Berger. Sie habe Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Bartenstein bereits schriftlich um Unterstützung gebeten.
Begutachtungsentwurf bis zum Sommer
Derzeit seien zwei
Arbeitsgruppen mit den geplanten Verbesserungen befasst. Ein entsprechender
Begutachtungsentwurf sei bis Sommer 2008 geplant. Dann könne die
Beschlussfassung schnell über die Bühne gehen.
Selbstständigkeit der Hauptgrund für Überschuldung
Mit
22 Prozent ist ehemalige Selbstständigkeit der Hauptgrund für Überschuldung,
es folgt Arbeitslosigkeit mit 19 Prozent und mangelnder Umgang mit Geld mit
18 Prozent. Auf Bürgschaften und Haftungen, Scheidung und Teure
Wohnraumbeschaffung entfallen jeweils 8 Prozent.
Schuldner immer jünger
Die Mehrzahl der Schuldner, nämlich
fast 29 Prozent sind zwischen 31 und 40 Jahre alt. Der Anteil der 20- bis
30-jährigen Österreicher, die in die Schuldenfalle tappen, liegt bereits bei
fast 27 Prozent. 26 Prozent der Schuldner sich 41 bis 50 Jahre, 18 Prozent
sind 51 Jahre und älter. Bei 0,5 Prozent beginnt die Schuldnerkarriere sehr
früh, nämlich mit unter 19 Jahren.
Fast 52 Prozent der Schuldner haben Berufsschulen und berufsbildende Schulen absolviert, 40,2 Prozent haben nur einen Pflichtschulabschluss, fast 5 Prozent haben Matura und 2,2 Prozent eine Ausbildung über das Maturaniveau hinaus.
Mehrheit der Schuldner im mittleren Einkommensbereich
Die
Mehrzahl der Schuldner, nämlich mehr als 32 Prozent, haben ein Einkommen von
1.000 bis 1.500 Euro, 25 Prozent verdienen zwischen 727 und 1.000 Euro. Mehr
als 2.000 Euro monatlich verdienen lediglich 5,5 Prozent der Schuldner. Mehr
als 27 Prozent der Betroffenen verdienen weniger als 726 Euro.
Die durchschnittlichen Schulden beliefen sich 2007 auf 39.800 Euro gegenüber 38.038 und 38.800 Euro in den beiden vorangegangenen Jahren. 2007 verzeichneten die ASB Schuldnerberatungen 53.610 Beratungen, davon fast 16.000 Erstberatungen. Derzeit gibt es in Österreich 10 staatlich anerkannte Schuldnerberatungen mit 18 Regionalstellen und 107 Berater.