SPÖ-Chef Werner Faymann wirft der ÖVP „Trickserei und Abgehobenheit“ im Streit um die geplante Lebensmittel-MWSt.-Senkung vor.
Die SPÖ hat Chancen, ihr 5-Punkte-Programm gegen die Teuerung durchzusetzen.
Faymann attackiert jetzt die ÖVP – und drängt Jörg Haiders BZÖ.
ÖSTERREICH:
Sie haben am Freitag die Chance gewahrt, alle ihre fünf Teuerungspunkte am
24. September durchzusetzen. Sind Sie zufrieden?
Werner Faymann:
Bei vier Punkten schaut’s sehr gut aus, beim fünften – der Senkung der
Mehrwertsteuer auf Lebensmittel und Medikamente – hatten wir eine
Zufallsmehrheit. Das gibt mir Hoffnung, einiges durchzubringen. Ich freue
mich besonders, dass die ÖVP umgeschwenkt ist und wir auch die
Familienbeihilfe für die unter 6-Jährigen erhöhen können. Wir machen Nägel
mit Köpfen und reden nicht nur.
ÖSTERREICH: Wie sieht
es bei der Mehrwertsteuersenkung aus? Das BZÖ war bei der Fristsetzung
dagegen.
Faymann: Ich habe sofort nach der Abstimmung mit Jörg
Haider telefoniert. Das BZÖ ist unberechenbar. Jemand, der ein Volksbegehren
einleitet und genau diese Steuersenkung fordert und dann dagegen stimmt –
wie der morgen handelt, kann ich nicht sagen. Es ist aber noch nichts
verloren. Bei den Medikamenten war das BZÖ ja wieder dabei.
ÖSTERREICH:
Die ÖVP rechnet vor, dass alles zusammen 25 Milliarden kostet. Werfen Sie
das Geld zum Fenster raus?
Faymann: Unser 5-Punkte-Programm
kostet 1,3 Milliarden. Die ÖVP hat ja bei einigen Punkten mitgestimmt. Sie
war sogar bei einer Korrektur der schwarz-blauen Pensionsreform dabei: Wir
wollen, dass all jene, die in Pension gehen, sofort in den Genuss einer
Pensionserhöhung kommen – und nicht erst im übernächsten Jahr. Siehe da: Die
ÖVP hat zugestimmt. Das ist wie bei einer Lok, die bremst und dauernd
gezogen werden muss. Dann dauert alles etwas länger.
ÖSTERREICH:
Laut ÖVP killen Sie durch die Mehrwertsteuersenkung die Steuerreform.
Faymann:
Die Steuersenkung bei Medikamenten war bei der verschobenen Kassenreform
ausgemacht – und da wäre die ÖVP mitgegangen.
ÖSTERREICH:
Aber die Lebensmittelsteuersenkung kostet doch auch eine Milliarde.
Faymann:
Nein, es geht um 700 Mio. Euro für Lebensmittel im Supermarkt und beim
Greißler. Das sehen wir als Teil der Steuerreform. Wenn man das abzieht,
dann bleiben noch rund 2,7 Mrd. Euro für die Tarifreform. Dass uns
ununterbrochen jemand vorrechnet, was es kostet, wenn alle plötzlich Kaviar
kaufen, oder dass Minister Bartenstein dauernd über die Verbilligung von
Viagra redet – auf diese Polittricks gehe ich gar nicht ein. Es ist schon
eine Form von Abgehobenheit, dass man, wenn es um Lebensmittel geht, sofort
von Wachteleiern spricht.
ÖSTERREICH: Was könnte noch vor
der Wahl kommen?
Faymann: Ich hoffe auf eine Einigung beim
öffentlichen Verkehr. Die ÖVP will ein Österreich-Ticket, die Grünen die
Freifahrt für Jugendliche. Und ich will, dass die Länder gefördert werden
wie in Wien die U-Bahn. Das betrifft U-Bahn-Projekte in Salzburg und Linz.
Da wird es Gespräche geben.