Klimaministerin Leonore Gewessler nennt im ÖSTERREICH-Interview einen Zieltermin für das Aus von Russengas.
Wien. Gewessler wird kommende Woche zur Nr. 2 hinter Werner Kogler gewählt. In ÖSTERREICH erklärt sie, wie sie bis 2027 aus russischem Gas aussteigen will.
Interview mit Ministerin Leonore Gewessler
ÖSTERREICH: Was tun Sie, um den Gaspreis zu senken?
Gewessler: Wir sehen aktuell durch den russischen Angriffskrieg, wie abhängig wir von russischem Erdgas sind, nämlich zu 80 %. Daraus müssen wir uns rasch befreien. Denn die Abhängigkeit macht uns erpressbar – und treibt die Preise in die Höhe. Wir haben zwei Anti-Teuerungspakete in Höhe von 4 Mrd. Euro geschnürt, allein beim ersten Paket erspart sich ein einkommensschwacher Haushalt bis 850 Euro.
ÖSTERREICH: Da sind auch 150-€-Gutscheine geplant, wann werden die versandt?
Gewessler: Das soll noch im April geschehen.
ÖSTERREICH: Ab wann ist russisches Gas verzichtbar?
Gewessler: Es braucht eine nationale Kraftanstrengung. Der Ausstieg geht nicht von heute auf morgen. Es geht um drei Säulen: Wir müssen den Gasverbrauch senken, überall wo es geht auf Wärmepumpen, Geothermie usw. umsteigen. Zweitens müssen wir selbst Biogas und erneuerbaren Wasserstoff produzieren. Dritter Punkt: Wir brauchen andere Lieferländer. Etwa Flüssiggas, das per Tanker über Terminals in Italien und Niederlande geliefert wird. Das war auch der Grund für meine Katar-Reise – eine Reise, die für eine grüne Politikerin sicher außergewöhnlich ist.
ÖSTERREICH: Wie lange dauert dann der Ausstieg aus russischem Erdgas?
Gewessler: Die EU-Kommission hat für alle EU-Länder das Ziel 2027 formuliert, das ist sehr ambitioniert.
ÖSTERREICH: Auch wir?
Gewessler: Es ist das Ziel der EU für alle Mitgliedsstaaten, das gelingt aber nur im Gleichklang.
ÖSTERREICH: In Deutschland wird ein Tempolimit diskutiert – warum nicht Tempo 120 aus Energiespargründen?
Gewessler: Wir brauchen einen Schulterschluss, um aus russischem Erdgas auszusteigen. Lassen Sie die Öl- oder Gasheizungen tauschen, wir fördern das. Zwei Grad weniger Raumtemperatur heißt bis zu 10 % Energieersparnis. 120 statt 130 km/h fahren spart Sprit, und damit russisches Erdöl.
ÖSTERREICH: Das war aber nur ein Aufruf – warum nicht verbindlich Tempo 120 auf Autobahnen?
Gewessler: Wir haben keine Mangellage. Es geht aber darum, rasch aus russischer Abhängigkeit zu kommen. Da kann jeder mithelfen.
ÖSTERREICH: Ihnen droht laut einem Gutachten eine Ministeranklage wegen des Stopps beim Lobau-Tunnel. Müssen Sie sich Sorgen machen?
Gewessler: Selbstverständlich handle ich auf Basis der Gesetze. Ich habe in Einvernehmen mit der Asfinag festgestellt, dass wir sehr klimaschädlich Projekte nicht weiterverfolgen. Das ist auch rechtlich so vorgesehen.
ÖSTERREICH: Jetzt gibt es eine Anzeige gegen Sie wegen Untreue – und wohl auch zivilrechtliche Klagen.
Gewessler: Dem sehe ich gelassen entgegen, wir haben alles ganz genau geprüft. Wenn wir Klimaschutz ernst nehmen, müssen wir den Mut haben, solche Entscheidungen zu treffen.