Polit-Blogger und oe24-Kolumnist Gerald Grosz kommentiert für Sie die Polit-Woche in seiner bekannt charmanten Art.
Liebe User und Seher von oe24
Willkommen bei Grosz gesagt, dem überaus kritischen Blick auf die aktuellen Geschehnisse unserer Zeit. Kritisch, direkt, unabhängig und scharf wie Messer!
30 Prozent Umsatzeinbruch erleidet unsere österreichische Gastronomiewirtschaft mindestens, Tendenz leider steigend. Aber im Gegensatz zu vorigem Jahr, wird sie nicht entschädigt, obwohl man 30 Prozent ihrer Kundschaft von Amts wegen mit dem diese Woche in Kraft getretenen 2-G-Regime aus den Lokalitäten ausschließt. Denn der für Finanzen zuständige Minister Gernot Blümel hat die Pandemie kraft seiner Worte vor vier Wochen im Öffentlich-Rechtlichen für beendet erklärt. Das darf man dann einen durchschlagenden Erfolg nennen, mit der Betonung auf schlagend.
Denn immer mehr Gastronomiebetriebe geben sich nach 20 Monaten der Herumeierei, den Widersprüchlichkeiten, den chaotischen Maßnahmen endgültig geschlagen. Und auch im Handel sieht es nicht rosiger aus, die Innenstädte leeren sich. Die Nichtgeimpften bleiben stur, das öffentliche Leben verlagert sich langsam aber sicher dank der 2-G-Regel wieder in den privaten Rahmen. Wie einst zu Zeiten zur Prohibition im Chicago der 30er, da traf man sich auch nur illegal in Hinterzimmern. Was man bisher nur aus Sommer- oder Winterdestinationen kannte ist nun traurige Realität für das gesamte Land, Österreich ist ein Saisonbetrieb geworden. Zimmer frei, Lokal leer, steht in Zukunft in dicken schwarzen Letter auf rot/weiß/rot bedruckt. Dem erwartungsvollen Frühling folgte ein mehr oder weniger kurzer freier Sommer, um in einen angespannten Herbst und einen desaströsen Winter zu marschieren.
Und wie der Jedermann in Salzburg wiederholt sich das Drama in vier Akten von Jahr zu Jahr. So sieht es zumindest aus. Denn ein Teil von Österreich, demnächst wahrscheinlich auch das gesamte Bundesgebiet, wird in einen Lockdown schlittern. Es stellt sich nur noch die Frage ob‘s ein Lockdown für Ungeimpfte oder eine verschärfte Kerkerhaft für alle wird. Der Grund ist schnell ausgemacht und Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer brachte es, ja fast beiläufig, bei einer Pressekonferenz auf den Punkt. „Es hat sich herausgestellt, dass 40 Prozent der nunmehr Infizierten sogenannte „Vollimmunisierte“ sind. Die unzähligen Experten sprachen immer nur von 10 Prozent“, gab sich der Landesfürst aus dem Westen überrascht und sprach einen großen Satz gelassen aus, wofür andere vor wenigen Wochen in unseren Breiten noch als Covidioten oder Schwurbler diffamiert worden wären.
Ja, es wäre fast Häresie gegen das Virenmanagement gewesen, wenn man tatsächlich in Frage gestellt hätte, ob denn die Impfung der Weisheit letzter Schluss ist. 40 Prozent der derzeitig Infizierten sind geimpft, die Wahrscheinlichkeit sich als Vollimmunisierter den zu Delta mutierten Fledelmausvirus nicht einzufangen liegt demnach nur mehr bei 60 Prozent. Längst ist die allzu lange tradierte Mär belegt, es handle sich „nur“ um eine „Pandemie der Ungeimpften“. Die Zahlen steigen, die Schallmauer von 10.000 Infektionen am Tag ist durchbrochen. Übrigens ein historischer Wert in den letzten 20 Monaten und das obwohl 63 Prozent der Österreicher geimpft sind. Die Regierung mit Alexander Schallenberg und Gesundheitsminister Mückstein befindet sich jedenfalls im Dilemma. Einerseits muss sie 63 Prozent der Österreicher erklären, dass die ersten beiden Impfungen nicht zum Erfolg führten und nun ein dritter Stich notwendig ist, andererseits muss dieselbe Regierung im selben Zeitraum 37 Prozent der Menschen in Österreich erklären, dass gerade diese beiden ersten Stiche das non plus ultra sind. Da soll sich noch wer auskennen. Ob die Staatsspitze diesen gordischen Knoten, man könnte auch Sackgasse dazu sagen, durchschlägt, bleibt abzuwarten. Aber bei dem Glück, das die ÖVP und die GrünInnen begleitet ist eher weniger davon auszugehen.
Ja, wenn der Teufel Junge bekommt, wird’s besonders finster. Da lob ich mir unseren Altkanzler Sebastian Kurz, der noch vor wenigen Wochen das Land mit schönen Plakaten eindeckte auf denen geschrieben stand: „Die Pandemie erfolgreich gemeistert!“. Aber nachdem es in Österreich für Politikerversprechen auf steuergeldfinanzierten Plakaten keine Amtshaftung gibt, dürften zumindest diese gebrochenen Worte des Herrn Kurz das geringste Problem für ihn sein. Er wittert Morgenluft. Die Justiz hat die Ermittlung gegen den ehemaligen Finanzminister Löger teils eingestellt, ebenso eine Anzeige der Opposition gegen den amtierenden Finanzminister Blümel zurückgelegt. Die ÖVP jubiliert, aber Vorsicht ist geboten: Denn eine Schwalbe macht wie gesagt noch keinen Sommer. Und dieselbe ÖVP, die nun über die Unabhängigkeit der Justiz eine frühes Freudentänzchen wagt, müsste bei tiefergehenden Ermittlungen gegen ihren Altkanzler einen Trauermarsch veranstalten. Von alledem unbeeindruck ist Kurz selbst, nach Privatreisen nach Irland und in die USA plant er, wenn man den Spatzen auf den Dächern des Wiener Regierungsviertels Glauben schenken darf, sein Comeback.
Es geht in die Bundesländer, ein Canossagang zu den grimmigen Landeshauptleuten steht dem WhatsApp-Fanatiker bevor. Einige Bundesländer ließen bereits ausrichten, dass sie auf den Besuch des Kurz-Kanzlers keinen Wert legen. Jetzt weiß wenigstens der vermeintliche Schließer der Balkanroute wie sich ein ungebetener Gast fühlt. Apropos Route: Ein neues Flüchtlingschaos droht Europa. Weißrusslands Diktator Lukaschenko wendet dieselbe Strategie wie sein Bruder im Geiste, der türkische Despot Erdogan an, und platzierte Flüchtlinge am Vorhof Europas, diesmal eben an der Grenze zu Polen. Der Druck auf die EU soll aufgebaut werden, der Weißrusse droht mit seinem menschlichen Faustpfand den europäischen Staaten nach dem Vorbild der Türkei.
Und nachdem die Bilder aus dem Jahr 2015 noch sehr gegenwärtig sind, reagiert Brüssel besonders sensibel. Alle sind sich einig, das „Wir schaffen das“-Jahr darf sich nicht wiederholen. Dabei haben wir es selbst in der Hand: Mit dem Kopf im Maul des Löwen lässt sich nicht leicht verhandeln und mit Diktatoren spricht man nicht. Denn sie verstehen nur ein Signal: Härte. Aber nachdem Lukaschenko bereits am Beispiel Türkei gesehen hat, dass man mit Flüchtlingen allemal einen milliardenschweren Deal mit der EU paktieren kann, probiert er es halt auch. Schauen wir halt weiter, wie sich es entwickelt. Ich halte Sie jedenfalls am Laufenden, auch nächste Woche, wenn es wieder heißt: Grosz gesagt. Bleiben Sie mir bis dahin treu!