ÖSTERREICH-Sommergespräch

Häupl - Der Architekt von Rot-Grün spricht

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So blendend gelaunt hat man Michael Häupl selten gesehen. Wiens Bürgermeister strahlt.

Üblicherweise ist Wiens Bürgermeister Michael Häupl zu Herbstbeginn schon öfter einmal grantig, wenn er seinen geliebten Urlaub in der Toskana gegen den Alltag des Regierens tauschen muss. Da denkt er dann schon einmal gern über Nachfolger oder Neuwahlen nach.

Doch heuer ist Anfang September alles anders
Ein blendend gelaunter Michael Häupl strahlt, führt Schmäh – und kündigt fast unverhohlen für 2015 seine Wiederkandidatur und eine weitere Amtszeit an. „Ich hab derzeit sehr viel Spaß am Regieren“, beendet er das Interview. Und das nach einem Jahr Rot-Grün, das ihm als Horrorjahr vorhergesagt wurde.

Stattdessen hat sich die Wiener ÖVP aufgelöst (was vielleicht Häupls blendende Laune erklärt), und seine Kontrahenten von Schwarz-Blau müssen einer nach dem anderen vor den Staatsanwalt, was ihn empört.„Räuberbande“ nennt er heute die Regierung Schüssel und fordert „ehestmöglich“ einen U-Ausschuss im Parlament, der das alles aufklären soll.

Seiner neuen Polit-Liebe Maria Vassilakou streut der Bürgermeister Rosen. Als „Weichensteller, der Optionen aufmacht“, sieht sich Häupl. Und sagt dann mit brutaler Offenheit: „Ich könnte mir vorstellen, dass die Zeit in ganz Österreich reif dafür ist, dass man etwas Neues ausprobiert – Rot-Grün.“

Den Grünen wird Häupl, das lässt er im Interview bereits durchblicken, in Kürze in Wien den nächsten Erfolg vergönnen.Offensichtlich stimmt Häupl dem Wahlkampf-Schlager der Grünen, die Öffi-Jahreskarte billiger zu machen, zu. Sie wird in Wien künftig wohl nur mehr 365 Euro (also fast 100 Euro weniger als derzeit) kosten – auch wenn Häupl die Gegenfinanzierung noch nicht sieht.

Das Volksbegehren zur Vermögenssteuer sagt Häupl im ÖSTERREICH-Interview (siehe unten) vorerst ab, weil er sich von der nun errichteten Arbeitsgruppe einen Vermögenssteuer-Kompromiss erwartet. Dafür fordert er vehement eine „schnellstmögliche“ Volksbefragung zur Abschaffung der Wehrpflicht und will dafür die ÖVP an Bord holen. Sein Tipp: „Mehr als 60 Prozent sind schon gegen die Wehrpflicht.“

 

Das Interview mit Häupl: "Mein Gefühl ist, die Zeit ist reif für Rot-Grün im Bund"

 

ÖSTERREICH: Wie fällt denn ein Jahr nach der Wien-Wahl Ihre Bilanz der rot-grünen Koalition in Wien aus?
MICHAEL HÄUPL: Alle bisherigen Erfahrungen sind exzellent – nicht dass es konfliktfrei wäre, nicht dass wir nicht harte Diskussionen hätten, aber es ist bei Rot-Grün in Wien einfach der Wille zum Gemeinsamen da, und das unterscheidet uns von der Koalition auf Bundesebene.

ÖSTERREICH: Es haben ja viele bei Rot-Grün das politische Chaos vorhergesagt.
HÄUPL: Mir war immer klar, dass die Grünen der stabilere Partner sind als etwa die ÖVP. Schauen Sie sich doch an, was sich derzeit in der Wiener ÖVP abspielt, da tritt jeden Tag einer zurück. Da wäre ja im Falle einer Koalition nicht nur die ÖVP-Chefin mit Getöse gegangen, da hätte ich die Vizebürgermeisterin verloren. Wir hätten jetzt eine veritable Regierungskrise in Wien.

ÖSTERREICH: War Rot-Grün in Wien eine Notlösung oder ein bewusstes Signal?
HÄUPL: Das war ein bewusstes politisches Signal, durchaus mit einem halben Auge auch auf die Bundespolitik gerichtet. Ich sehe mich als einer, der Optionen aufmacht. Ich will in Wien schon auch beweisen: Es muss nicht immer Rot-Schwarz oder gar Schwarz-Blau sein, es gibt auch ein anderes politisches Modell für das Land.

ÖSTERREICH: Es gibt mit den Grünen keine Probleme?
HÄUPL: Es gibt Meinungsverschiedenheiten. Etwa bei der Wahlrechtsreform. Aber wir finden gemeinsame Lösungen, so wie vereinbart. Ich halte mich an Beschlüsse – und ich streite lieber über Straßenkreuzungen, als dass ich über die Zukunft unserer Kinder streiten müsste.

ÖSTERREICH: Derzeit streiten Sie über eine Tarifreform bei den Wiener Linien. Die Grünen wollen die Jahreskarte auf 365 Euro verbilligen.
HÄUPL: Unsere allererste Aufgabe ist, die Investitionskraft der Wiener Linien zu erhalten. Zur Stunde sehe ich die Gegenfinanzierung nicht. Aber ich sage auch: Ich habe kein Problem mit einer Jahreskarte um 365 Euro, wenn unsere Verkehrsbetriebe dabei nicht bankrott gehen und wir weiter in großem Stil in den Ausbau der Öffis investieren können.

ÖSTERREICH: Wenn Ihre Rot-Grün-Bilanz in Wien so positiv ist, wie ist dann Ihre Bilanz der Bundesregierung?
HÄUPL: Die war nach der berühmten Klausur am Semmering sehr positiv, aber seit dem Sommer höre ich nur mehr „Njets“, ich höre ständig Nein zu allen Vorschlägen, und ich muss leider sagen, es geht derzeit nicht viel weiter in der Bundespolitik. Es wird nicht entschieden – weder in der Frage der Wehrpflicht noch bei der Schule noch bei einem gerechten Steuersystem.

ÖSTERREICH: Sind Sie bei der Wehrpflicht weiterhin für eine Volksabstimmung?
HÄUPL: Ja! Ich habe diese Diskussion ja vor einem Jahr angestoßen. Seither ist viel geschehen. Die Minister Darabos und Hundstorfer haben für Freiwilligen-Heer und freiwilligen Sozialdienst exzellente Konzepte vorgelegt, die ganz klar zeigen: Wir brauchen in Österreich keine Wehrpflicht mehr, wir brauchen ein Profi-Heer. Und deshalb ist jetzt die Zeit reif für eine Volksbefragung.

ÖSTERREICH: Diese Volksbefragung soll kommen?
HÄUPL: Diese Volksbefragung muss kommen, und zwar so schnell wie möglich – wobei sie erst stattfinden kann, wenn die ÖVP soweit ist. Niemand in der SPÖ will einen Koalitionsbruch, deshalb wird es eine Volksbefragung gegen den Willen der ÖVP nicht geben. Aber ich bin mir fast sicher, dass die ÖVP sehr bald bei einer Volksbefragung mit an Bord ist. Ideal wäre dafür der Dezember – das ist die Zeit des Friedens, da kann man so etwas machen, ohne dass gleich die Fetzen fliegen.

ÖSTERREICH: Sie sind für die Abschaffung der Wehrpflicht?
HÄUPL: Hundertprozentig, wir brauchen keine Wehrpflicht mehr.

ÖSTERREICH: Sie wollten ein Volksbegehren für eine Vermögenssteuer starten?
HÄUPL: Das war ein Hilferuf, weil sich diese Regierung zu wenig in Richtung eines gerechten Steuersystems bewegt. Wir haben in Österreich kein gerechtes Steuersystem, weil fast die gesamten Steuereinnahmen von den kleinen Arbeitnehmern kommen und die wirklich Reichen nichts zum Schuldenabbau beitragen. Deshalb ist eine Vermögenssteuer ein unbedingtes Muss. Hätte die ÖVP weiter Gesprächsverweigerung betrieben, hätte ich als Notmaßnahme ein Volksbegehren gestartet. Aber jetzt sitzen ja beide Parteien in einer Arbeitsgruppe am Tisch und reden. Jetzt bin ich frohen Mutes, dass eine Vermögenssteuer kommt und wir 2013 eine gerechte Steuerreform bekommen, die kleine und mittlere Einkommen entlastet – und da brauchen wir kein Volksbegehren. Eine Regierung soll ja arbeiten und nicht Show machen.

ÖSTERREICH: Haben Sie Angst, dass uns Griechenland in eine neue Krise reißt?
HÄUPL: Die Situation ist ernst. Ich wäre für einen geordneten Schuldenerlass für die Griechen, damit sie neben der Reduzierung der Staatsschulden auch die Wirtschaft ankurbeln können. Denn tun sie das nicht, wird das verheerende Folgen haben.

ÖSTERREICH: Sind Sie ein Befürworter von Neuwahlen in Österreich, wenn die Regierung weiter alles blockiert?
HÄUPL: Nein, jetzt ist nicht die Zeit für Neuwahlen. Den Menschen auf der Straße gehen diese virtuellen Diskussionen auf die Nerven. Die wollen, dass die Regierung arbeitet, für Aufschwung sorgt, endlich mit der Korruption aufräumt. Schwarz-Blau war ja keine Regierung, sondern ein Selbstbedienungsladen. Das gehört umgehend aufgeklärt. Und dazu muss es einen U-Ausschuss geben.

ÖSTERREICH: Kommt nach der nächsten Bundeswahl, so wie in Wien, Rot-Grün?
HÄUPL: Ich bin nur ein kleiner Bürgermeister und kein Prophet. Aber ich könnte mir vorstellen, dass die Zeit nicht nur in Wien, sondern in ganz Österreich reif dafür ist, dass man etwas Neues ausprobiert, wenn es sich ausgeht. Derzeit droht ja eine Neuauflage von Schwarz-Blau – und das ist das Letzte, was dieses Land in Zukunft braucht.

ÖSTERREICH: Ihr Freund Erwin Pröll hat für 2013 seine Wiederkandidatur angesagt – machen Sie 2015 auch weiter?
HÄUPL: Da habe ich ja noch zwei Jahre Zeit, bevor ich 2013 meine Wiederkandidatur für 2015 ansage.

ÖSTERREICH: Interpretiere ich das richtig, dass Sie derzeit so viel Spaß haben, dass Sie 2015 noch einmal antreten und eine Amtszeit anhängen?
HÄUPL: Ich würde sagen, das interpretieren Sie wie immer ziemlich richtig. Ich habe derzeit wirklich sehr viel Spaß am Regieren.

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