Justizminister unterzeichneten Absichtserklärung für Abkommen
Um die heimischen Gefängnisse zu entlasten, sollen ausländische Häftlinge möglichst in ihrem Heimatland ihre Strafe absitzen, wünscht sich Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP). Mit Marokko unterzeichnete er am Montag in Rabat eine Absichtserklärung für ein entsprechendes Rechtshilfeabkommen. Möglich wäre das Projekt aber nur bei Einhaltung der Menschenrechte, betonte Brandstetter.
Marokko sei "ein Rechtsstaat, der auf Menschenrechten und Demokratie basiert", meinte Justizminister Mohamed Aujjar nach einem gut einstündigen Gespräch mit Brandstetter. Auch der Vizekanzler glaubt, dass es "durchaus realistisch" sei, dass vom Königreich die Standards der Europäischen Menschenrechtskonvention geschaffen würden. Nach seinem Vieraugengespräch mit dem marokkanischen Kollegen sprach er von "ehrlicher Anerkennung" für die Reformen im Justizbereich und betonte die "beeindruckende Entwicklung" des Landes.
Am Dienstag wird Brandstetter auch ein marokkanisches Gefängnis besuchen, um sich ein Bild zu machen. Journalisten sind seitens der marokkanischen Behörden bei diesem Termin nicht zugelassen. Der Minister glaubt dennoch, dass er die tatsächlichen und keine geschönten Haftumstände zu Gesicht bekommen wird. Bis zu einem gewissen Grad sei es auch eine "Frage des Vertrauens", räumte er ein.
Für die Ausdehnung des Projekts "Haft in der Heimat" auf Marokko fiel am Montag jedenfalls quasi der Startschuss: Die beiden Justizminister unterzeichneten eine gemeinsame Absichtserklärung, ein bilaterales Abkommen zu verhandeln, das die Überstellung von Strafgefangenen vorsieht. Gegenleistungen für Marokko hat der Minister nicht im Gepäck, wie er zuvor vor den mitgereisten Journalisten versicherte. Die aktuelle marokkanische Regierung ist laut Diplomaten um Reformen und eine Annäherung zu Europa bemüht - dementsprechend setzt man darauf, dass derartige Abkommen als Signal der politischen Aufwertung gesehen würden.
Notwendig ist eine solche Vereinbarung aus Brandstetters Sicht, weil "der Druck auf unsere Haftanstalten steigt". Der Ausländeranteil in den heimischen Haftanstalten liegt bei rund 54 Prozent - von den rund 8.900 Häftlingen sind etwa 1.600 EU-Ausländer und 3.100 aus Drittstaaten. Sprachliche Barrieren und kulturelle Unterschiede führten zu Problemen, man sei mit steigernder Aggressivität unter Häftlingen, aber auch gegenüber Beamten konfrontiert, meinte der Minister.
Mit aktuell 142 Häftlingen sind Marokkaner freilich bei Weitem nicht die größte Ausländergruppe in den Gefängnissen, sondern laut einer Aufstellung des Justizministeriums nur auf Platz 11. Brandstetter sieht allerdings die Chance, mit einer Rücknahme der Häftlinge durch Marokko bis zu 55.000 Hafttage zu sparen. Insgesamt wurden im Vorjahr durch Überstellungen von 202 Häftlingen in verschiedene Länder laut Berechnungen des Ministeriums 3,4 Millionen Euro eingespart. Neben den Europarats-Staaten hat Österreich derartige Abkommen mit dem Kosovo, Kuba und Thailand.
Die Überstellung nach Marokko soll nur auf freiwilliger Basis möglich sein. Der Minister glaubt dennoch nicht, dass die Häftlinge ihre Strafe lieber in vergleichsweise wohl komfortablen österreichischen Gefängnissen absitzen wollen. "Ich sehe das nicht so pessimistisch." Es sei auch "im Sinne der Betroffenen, dass sie ihre Haft in ihrem Heimatland verbüßen, da sie dort leichter reintegriert werden können", findet Brandstetter.
Für das Vorhaben nahm der Vizekanzler jedenfalls - ungeplant - einige Strapazen auf sich: Da wegen Bodennebels trotz mehrmaliger Versuche keine Landung in Rabat möglich war, strandete die Delegation in der Nacht von Sonntag auf Montag für mehrere Stunden in Casablanca. In den frühen Morgenstunden schafften es der Minister und seine Begleiter letztlich doch noch nach Rabat. Das Programm am Montag wurde deshalb allerdings etwas nach hinten verschoben. Am späten Nachmittag trifft Brandstetter noch den Premierminister.