Der 84-jährige Dirk Adler besucht Schulklassen und klärt über die Shoah auf. Er verlor beide Eltern im Holocaust.
Wien/Oswiecim (Auschwitz). Dirk Adler hatte keinen leichten Start ins Leben. In seinem Geburtsjahr, 1940, marschierte die deutsche Wehrmacht in den Niederlanden ein. Seine Familie entschloss sich in Amsterdam zu bleiben, nur durch einen glücklichen Zufall überlebte er den NS-Massenmord. Heute besucht der 84-Jährige Schulklassen und redet mit ihnen über den Holocaust. "Ich sage immer: öffnet euer Herz, öffnet euer Gehirn und kämpft gegen die Unwahrheit", erzählte Adler im Gespräch mit der APA.
- Gedenkfeier der Befreiung des KZ Auschwitz-Birkenau
- Mahnungen zum Gedenken an Holocaust-Opfer
- Gedenken an Holocaust-Opfer in Wiener UNO-City
"Mein Vater glaubte anfangs, dass unsere niederländische Staatsbürgerschaft uns schützen würde", sagte Adler am Rande einer Gedenkveranstaltung in der Wiener UNO-City. 1941 beschaffte sich die Familie Visa für eine Ausreise nach Argentinien, konnte das Land aber nicht mehr rechtzeitig verlassen. Ein Fluchtversuch mit Widerstandskämpfern über Belgien schlägt fehl: Adlers Eltern werden verraten und deportiert. Beide sterben in Auschwitz.
Adler überlebt durch Zufall
Adler selbst überlebt durch einen Zufall. Weil die Mitnahme des damals Zweijährigen als zu gefährlich erachtet wird, bleibt Dirk bei einer entfernt verwandten Familie in Haarlem zurück - und überlebt, getarnt als eines ihrer Kinder. "Immer wieder kamen deutsche Soldaten und durchsuchten unsere Wohnung. Ich verstand damals natürlich nicht, wonach sie suchten, oder wie ernst die Lage war", erinnerte er sich. Nach dem Krieg startete Adler Nachforschungen zu seiner Familie: Sein Name fand sich neben denen seiner Eltern auf der Passagierliste eines Todeszugs von Mechelen nach Auschwitz.
Nach dem Krieg lebte Adler in Kolumbien, Israel und Österreich. Auf die Frage, ob er sich in Wien seit dem 7. Oktober unsicherer fühle, antwortete er mit einem klaren "Nein". Dass die Sicherheitslage für Juden in Europa wieder schwieriger wird, merke man aber. "Da brauche ich ja nur die Zeitung aufschlagen", sagte Adler. Auf aktuelle Umfragen angesprochen, wonach die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung eine Wiederholung des Holocaust befürchtet, gab Adler zu bedenken: "Wir müssen es nicht Holocaust nennen, es kann andere Namen haben. Es wird anders kommen (als damals, Anm.)." Die technischen Möglichkeiten seien heute viel weiter.
Adler warnte vor dem Vergessen
Adler warnte deswegen vor dem Vergessen und forderte ein eifriges Interesse für Erinnerungskultur. Kinder kämen mit dem Holocaust heutzutage nicht mehr genug in Berührung, befand er. "Geschichte wird auf dem Lehrplan im Allgemeinen immer weniger wichtig, habe ich das Gefühl", bedauerte er. An seine Familie erinnerte Adler an diesem Montag in seiner Rede bei der Gedenkzeremonie. Wie Nachforschungen ergaben, wurde seine Mutter und seine Tante in Auschwitz vergast. Sein Vater und sein Onkel wurden durch schwere Zwangsarbeit zugrundegerichtet.
Am Montag jährte sich die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau zum 80. Mal. Soldaten der Roten Armee rückten am 27. Jänner 1945 in das KZ ein. In der Gedenkstätte in der polnischen Stadt Oświęcim fand aus diesem Anlass ein Gedenkakt mit rund 60 Staats- und Regierungschefs sowie EU-Spitzenvertretern statt. Aus Österreich nahmen Bundespräsident Alexander Van der Bellen sowie ÖVP-Ministerin Susanne Raab teil.