Sparpläne

Justiz warnt vor "dramatischen Folgen"

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OLG-Präsidenten protestieren gegen eine "unverantwortliche Sparpolitik" der Regierung.

Die Sparvorgaben für die Justiz gefährden die Funktionsfähigkeit der Rechtsprechung und setzen damit den Wirtschaftsstandort aufs Spiel. Diese drastische Warnung richteten die vier Oberlandesgerichts-Präsidenten am Donnerstag an Finanzminister, Vizekanzler und Bundeskanzler. Sie forderten aus den über die Gerichtsgebühren selbst erwirtschafteten Mitteln "zumindest das, was wir dringend brauchen".

OLG-Präsidenten geben üblicherweise keine Pressekonferenz - schon gar nicht alle vier gemeinsam-, sehen sie sich doch als loyale Justizmanager, die mit den vorhandenen Mitteln für funktionierende Gerichte sorgen. 2018/19 werden aber Mittel und Personal so kräftig zusammengestrichen, dass sie das reibungslose Funktionieren nicht mehr garantieren können. Deshalb wandten sich Präsidentin Katharina Lehmayer (OLG Linz) und die drei Präsidenten Gerhard Jelinek (Wien), Manfred Scaria (Graz) und Klaus Schröder (Innsbruck) in Wien in einer gemeinsamen Pressekonferenz gegen die "unverantwortliche Sparpolitik" der Regierung.

Dramatische Folgen

Deren Folgen wären "dramatisch", warnten sie: Verfahren werden "zwangsläufig" länger dauern, die Qualität (wegen Personalmangel, aber auch wegen 40 Prozent weniger Geld für Fortbildung) wird sinken, für Anfragen und Anliegen der Bürger wird weniger Zeit sein, Digitalisierungsprojekte (wie die Umstellung auf den elektronischen Akt) müssen praktisch eingestellt werden und für junge Menschen wird es deutlich weniger Beschäftigungsmöglichkeiten geben. Schon ab April/Mai können keine Rechtspraktikanten (von denen bereits 180 darauf warten) mehr aufgenommen und in den nächsten zwei, drei Jahren keine fertig ausgebildeten Anwärter mehr als Richter übernommen werden.

Bisher war die Justiz (abgesehen von Beamten und Vertragsbediensteten, also Kanzleipersonal und Rechtspfleger) von Kürzungen ausgenommen, galt sie doch immer als Teil der Sicherheitspolitik. Jetzt sei das "plötzlich" nicht mehr der Fall, konstatierte Jelinek - und so drohe die Rechtsprechung zum "sicherheitspolitischen Flaschenhals" (Scaria) zu werden. Denn die Gerichte stecken "in der Doppelmühle" (Lehmayer): Personal und Sachmittel werden scharf gekürzt, während die Aufgaben wachsen: Die Polizei bekommt mehr als 4.000 Posten dazu (was mehr Anzeigen bedeutet) und mit dem "Sicherheitspaket" neue Überwachungsmethoden, die mehr Grundrechtsschutz durch die Richter erforderlich machen - obwohl man mit Riesenverfahren (Buwog, Hypo), neuen Sicherheits-Herausforderungen (z.B. Dschihadisten- oder Staatsverweigerer-Prozesse) und personalintensive Reformen (ab Mitte des Jahres müssen 60.000 Sachwalterschaften im Zuge des neuen Erwachsenenschutzes überprüft werden) ohnehin mehr als ausgelastet sei.

Man könnte, merkte Schröder an, den Verdacht bekommen, dass "mit den Mitteln des Haushaltsrechts und der Finanzen versucht wird, eine Justiz an die Kandare zu nehmen, die man eben nicht parteipolitisch steuern kann und die eben nicht dem politischen Einfluss von Regierung oder Parteien unterstellbar ist". Dabei verlange man keine Almosen - mit den Gerichtsgebühren sind die Kosten zu 111 Prozent gedeckt.

Sparprogramm

Alle vier OLG zusammen bekommen 2018 812 Mio. Euro vom Finanzminister, für alles, "vom Klopapier bis zur Telefonüberwachung" - und werden laut Budget 1,14 Mrd. an Gebühren einnehmen. Dennoch muss die Rechtsprechung sparen: 82 Beamte und Vertragsbedienstete müssen heuer, 94 nächstes Jahr abgebaut werden, dazu 40 Richteramtsanwärter-Stellen 2019 - und erstmals werden 2018/19 auch Richter bzw. Staatsanwälte nicht nachbesetzt, und zwar auf 40 (mit Stand Anfang März waren es 42) Posten. Sie sind nicht im Stellenplan enthalten, wurden aber als Ersatz für Richterinnen, die in Mutterschutz gingen, aufgenommen.

Die Kürzungen im Ausbildungsbereich verhindern laut Scaria dringend nötige Vorsorge: In den nächsten zehn Jahren gehen 40 Prozent der Bediensteten in Pension, aber die Justiz könne die Nachfolger (etwa auch Rechtspfleger) mangels Posten nicht ausbilden. Schon jetzt warten 60 geprüfte Richteramtsanwärter nach vierjähriger Ausbildung auf die "Übernahme". Viele von ihnen werden in Anwaltskanzleien oder Wirtschaftsunternehmen gehen - das sind "vergeudete Steuermittel", merkte Jelinek an.

Die 115 Bezirksgerichte, 20 Landesgerichte und vier Obergerichte erledigen im Jahr im Durchschnitt 2,8 Millionen Rechtssachen - und zwar, so Scaria, mit im internationalen Vergleich kurzer Verfahrensdauer, effizient und mit bisher vorbildhaftem IT-Einsatz. Und sie sind bisher auch eine wichtige Ausbildungsstätte: Momentan gibt es noch 350 Verwaltungsassistenz-Lehrstellen (etwa im IT-Bereich) und mehrere 100 Rechtspraktikanten absolvieren ihr - auch für eine Karriere als Rechtsanwalt oder Notar vorgeschriebenes - Gerichtspraktikum.
 

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