Letztes Telefonat mit Wolfgang Fellner

Kern: Wenn die SPÖ nicht einig ist, dann wird sie nie Nummer eins

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Nach Kerns Rücktritt gab es gestern ein langes Telefonat ­zwischen Fellner und Kern.

Ein Jahr lang haben sie nicht miteinander gesprochen. Doch seit Sommer war das Verhältnis zwischen Ex-Kanzler Christian Kern und ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner wieder in Ordnung. Nach Kerns Rücktritt gab es gestern ein langes Telefonat ­zwischen Fellner und Kern. Kern wollte das Telefonat ausdrücklich nicht als Interview sehen – stimmte aber zu, dass Fellner es als Story mit Zitaten zusammenfasst.

Der lockere Schmäh der Pressekonferenz ist verflogen. Der Christian Kern, mit dem ich gestern am späten Nachmittag telefoniere, ist ernst, wirkt getroffen, enttäuscht – gleichzeitig aber auch sehr erleichtert, dass die Zeit der Polit-Intrigen ein für alle Mal vorbei ist. Kern gibt im Telefonat zu, dass es zwei Gründe für seinen Rücktritt gab:

Der wichtigste Grund für ihn: Er habe versucht, mit seinem Rücktritt als Parteichef wieder Einigkeit und Geschlossenheit in die Partei zu bringen – doch leider sei genau das Gegenteil der Fall gewesen. Hinter jedem Busch sei ein roter Heckenschütze gestanden, ständig sei aus der Partei Abwertendes über ihn an Zeitungen gesteckt worden. Kern: „Von wem glauben Sie denn, dass die ganzen Artikel ‚Kern ist eine Belastung für die SPÖ‘ ausgegangen sind? – von der ÖVP allein sicher nicht!“

Kern meint, er hätte zunehmend befürchtet, dass sich „die Geschichte des Nationalrats-Wahlkampfs wiederholt – ohne geschlossene Partei können Sie keine Wahl gewinnen“. Und dann wird Kern emotional: „Sie können mich da gern zitieren: Wenn die SPÖ nicht endlich Einigkeit schafft, wird sie nie Nummer 1. Das ist die Botschaft, die mein Rücktritt auch vermitteln soll.“

Zweiter Grund für den Verzicht auf die Kandidatur: Kern gibt offen zu, dass er bei der EU-Wahl mit einer Allianz aus Sozialdemokraten und Liberalen antreten wollte, die er mit Macron und Renzi in den letzten Wochen entwickelt hat. In Österreich wollte Kern nicht als SPÖ, sondern als „Allianz der Freunde Europas“ antreten – und dafür auch Neos und Grüne gewinnen.

Kern fast euphorisch: „Glauben Sie, dass ich mich damit zufriedengegeben hätte, mit 28 % gegen 27 % ÖVP zu gewinnen? Mein Ziel wären 40 % und mehr gewesen. Mit Neos und Grünen möglich.“

Kern hätte für die EU-Wahl „jene Kurz-Wähler gewinnen wollen, die im letzten Jahr Kurz als Wunsch nach Veränderung gewählt haben – die Reformfreudigen sind jetzt enttäuscht.“

Mit dieser Idee ist Kern an der SPÖ-Spitze gescheitert. Kern über das Nein der SPÖ-Granden: „Die brauchen jetzt Ruhe vor dem Parteitag und nicht den nächsten Wirbel, ob man mit Macron eine gemeinsame Liste machen darf.“ Vor allem die SPÖ-Gewerkschafter hätten diese Allianz abgelehnt, lässt er durchblicken: „Natürlich hätte man das auch weniger radikal machen können. Bis nach dem Parteitag warten, keine gemeinsame Liste, nach der Wahl Koalitionen – aber irgendwie bin ich mir für diese Streitereien zu schade.“

So enttäuscht Kern offenbar von der eigenen Partei ist („Ich erwarte mir keine Dankbarkeit von der Partei, aber ich habe die SPÖ von 20 auf 27 % geführt, und man sieht in den Umfragen bei Rendi-Wagner ja bereits, wie richtig meine Entscheidung für meine Nachfolge war“), so erleichtert wirkt er, wenn man über sein neues Leben spricht:

„Herr Fellner“, sagt er, „ich bin jetzt wirklich glücklich. Ich war nie einer, der 24 Stunden für die Politik lebt, mir wird die Politik nicht ab­gehen, mir sind meine Frau, meine Familie viel wichtiger!“

„Ich bin froh, dass ich den Mut zu dieser Entscheidung hatte.“ Für ihn und die SPÖ sei es das Beste: „Ich suche mein Glück – und die sollen ihr Glück suchen!“

Leicht bitter klingt noch, wenn er sagt: „Rendi und Drozda werden über meine Entscheidung nicht unglücklich sein. Die sind jetzt von der angeblichen Last befreit. Die müssen jetzt ihren eigenen Weg gehen.“

Und seine Zukunft? Kern: „Ich war in meinem Leben Manager, Politiker – mir fehlt noch ein wichtiges Element: Ich möchte jetzt mal Unternehmer sein.“ Ein wirklich erfolgreiches Familien-Unternehmen, klein aber fein – das ist Kerns neuer Traum: „Das wäre mein neues Glück!“

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