Klubchef statt Innenminister? In ÖSTERREICH zeigt Kickl eine klare Vorliebe für Letzteres.
Wien. Opfert sich Herbert Kickl, um eine türkis-blaue Koalition zu ermöglichen, und verzichtet auf den Job des Innenministers? Er schließt das nicht aus – zeigt aber eine Vorliebe fürs Innenministerium.
ÖSTERREICH: Sind Sie von der ÖVP enttäuscht?
Kickl: Enttäuscht bin ich davon, dass die alte ÖVP und die Berater von Sebastian Kurz in einer schweren Situation für den Koalitionspartner die schwarze Machtbasis brutal erweitern wollten – und so die erfolgreiche Regierung gesprengt haben. Aber mein Blick geht nach vorne. Nachtragend zu sein, ist keine gute politische Einstellung. Meine Hand ist nach wie vor ausgestreckt.
ÖSTERREICH: Was sagen Sie zur Schredder-Affäre?
Kickl: Die ÖVP hat der Öffentlichkeit mehrfach Unwahrheiten aufgetischt. Es war nicht eine Festplatte, es waren fünf. Der Vorgang war nichts Alltägliches, sondern absolut außergewöhnlich. Dass der Mitarbeiter seine Zerstörungsaktion genau einen Tag nach Auftauchen der ersten Medienberichte über die Hintermänner des Ibiza-Videos eingeleitet hat, darauf kann sich jeder selbst seinen Reim machen.
ÖSTERREICH: Glauben Sie, dass die Macher des Schmutzkübel-Portals gegen Kurz auch was mit dem Ibiza-Video zu tun haben können?
Kickl: Es geht nicht darum, was irgendjemand glaubt, sondern, was die Fakten sind. Deshalb wundert es mich schon, dass die Ermittlungen in Richtung der Hintermänner des Ibiza-Videos so schleppend vorangehen. Ich hätte als Innenminister viel mehr Druck gemacht.
ÖSTERREICH: Alles redet von Ihnen in diesem Wahlkampf. Die ÖVP schließt Sie als Innenminister aus. Jetzt ist in der FPÖ nicht die klare Ansage zu hören, Kickl muss Minister bleiben, wenn es wieder Türkis-Blau werden soll.
Kickl: Ich empfinde und erlebe das ganz anders. Im Übrigen sind zuerst einmal die Wähler am Wort – so funktioniert Demokratie.
ÖSTERREICH: Wären Sie bereit, auf ein Ministeramt zu verzichten?
Kickl: Angesichts der Anklagen gegen zwei Sektionschefs, die Teil eines schwarzen Netzwerkes sind, wäre es angebracht, wenn die ÖVP als Akt tätiger Reue, als Bekenntnis zu Aufklärung und Transparenz auf das Innenministerium verzichten würde.
ÖSTERREICH: Würde es Sie reizen, mächtiger Klubchef in einer ÖVP-FPÖ-Koalition zu sein?
Kickl: An der Spitze unseres tollen Parlamentsklubs zu stehen, ist Ehre und Herausforderung zugleich. Als Innenminister wäre ich aber eingearbeitet, weiß, wo man genauer hinschauen muss, und bringe den ernsthaften Willen mit, die Bevölkerung vor Kriminellen und Illegalen zu schützen. Beide Aufgaben – Klubchef und Minister – sind wichtig.
ÖSTERREICH: VdB hat gesagt, er macht Sie sowieso nicht mehr zum Minister … Sie müssen ja faktisch verzichten, wenn die FPÖ nochmals in eine Regierung will?
Kickl: Der Bundespräsident steht nicht über der Verfassung, auch wenn manche das glauben. Und in der Verfassung steht, dass das Recht vom Volk ausgeht. Herr Van der Bellen kann nicht willkürlich nach seinem ideologischen Weltbild entscheiden, nur weil ihm meine konsequente Abschiebungspolitik nicht gepasst hat.
ÖSTERREICH: Wie wollen Sie den Präsidenten umstimmen?
Kickl: Ein gutes Ergebnis der Freiheitlichen hat sicher ordentliche Überzeugungskraft. Im Übrigen hat er mich schon einmal angelobt und er hat mir bis heute keinen Grund genannt, warum das jetzt nicht mehr gehen sollte.
ÖSTERREICH: Planen Sie eine Art Kickl-Wahlkampf?
Kickl: Diesen „Kickl-Wahlkampf“ führen gerade die ÖVP und der Bundespräsident für mich. Besser könnten wir das selber gar nicht machen. Es wird eine eigene Plakatserie mit mir geben, und ich gehe natürlich intensiv auf Wahlkampftour.
ÖSTERREICH: Zum geplanten Zaun. Wie lange hätte der werden können? 300 Meter? Oder reden wir da von Kilometern?
Kickl: Natürlich reden wir hier in Summe von Kilometern, aber der Zaun soll ja nicht überall und permanent stehen, sondern im Fall der Fälle an „Druckpunkten“ aufgezogen werden – direkt an der Grenze und so, dass er nicht zu überwinden ist. Sonst hat das Ganze keinen Sinn und wir landen wieder bei einer Situation wie 2015. Das kann ja kein vernünftiger Mensch wirklich wollen.
ÖSTERREICH: Soll der Zaun kommen, wenn die FPÖ in die Regierung kommt?
Kickl: Es ist eine Kernaufgabe jedes Innenministers, die territoriale Souveränität vor jedem illegalen Betreten zu schützen. Ich wundere mich, wie fahrlässig manch andere damit umgegangen sind bzw. umgehen. Ganz klar: Wenn sich ankündigt, dass wir ihn brauchen, dann soll er rechtzeitig stehen.
Interview: G. Schröder