Über die nächsten zwölf Monate werden die Skandale rund um das Innenministerium genau untersucht.
„Wenn die gesamte Thematik ordnungsgemäß abgearbeitet wird, sind wir bei realistischer Betrachtung der Zeitbudgets für die Auskunftspersonen bei Ostern nächsten Jahres“, schätzt der FP-Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Peter Fichtenbauer, im Gespräch mit ÖSTERREICH.
Damit ist der Zeitraum deutlich länger als ursprünglich angedacht. „Ich kämpfe um jeden Tag, den man noch vor Sommer abarbeiten kann“, beteuert Fichtenbauer. Der Ausschuss tagt erstmals am Mittwoch. Am 8. April soll dann Ex-Kripo-Chef Herwig Haidinger als erste Auskunftsperson aussagen. Der Prüfauftrag umfasst insgesamt 32 Punkte:
- Vertuschung von Polizeipannen im Fall Kampusch. Das Ministerbüro hat angeblich eine Untersuchung dieser Pannen untersagt.
- Massiver Postenschacher im ÖVP-Innenministerium, aufgeflogen durch die Veröffentlichung des E-Mail-Verkehrs von Ex-ÖVP-Innenminister Ernst Strasser.
- Vertuschung im Fall des ehemaligen Kabinettschefs Philipp Ita – etwa wegen behaupteter Fahrerflucht.
- Instrumentalisierung der Polizei gegen die SPÖ in der Bawag-Affäre.
Aufdecker Haidinger
Ausgelöst hat den Untersuchungsausschuss
Herwig Haidinger, Ex-Chef des Bundeskriminalamts. Anfang des Jahres wurde
ihm die Leitung des Amts entzogen, „weil ich mich nicht korrumpieren ließ“,
so Haidinger.
Laut seinen Aussagen gab es eine Reihe von Wünschen und Anliegen von ÖVP-Ministern, die an ihn herangetragen wurden, er aber nicht mittragen wollte. Stattdessen trat Haidinger mit seinen Vorwürfen an die Öffentlichkeit.
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Aufdecker Herwig Haidinger und sein engster Mitarbeiter Gerhard Schneider im Interview vor dem U-Ausschuss, den sie ins Rollen brachten.
ÖSTERREICH: Sie haben in den vergangenen acht Wochen das Land bewegt. Wie geht es Ihnen persönlich?
HERWIG HAIDINGER: Sehr gut. Ich bin am 16. März wieder Vater geworden. Unser Bub heißt Jan, und ich war bei der Geburt dabei. Das war ein so wunderbares Erlebnis, dass es weniger schöne Erfahrungen relativiert.
ÖSTERREICH: Sprechen wir über die weniger schönen: Das Ringen um den parlamentarischen Untersuchungsausschuss lief ab wie ein Krimi, weil sich die VP vehement dagegen gewehrt hat.
HAIDINGER: Richtig, aber es gibt ihn. Und das zeigt doch, dass der Parlamentarismus in Österreich funktioniert.
ÖSTERREICH: Es gab doch Versuche, Sie anzupatzen. Stichworte dazu: die Verwendung des Dienstwagens, heimliche Treffen mit Politikern …
HAIDINGER: … das war persönlich sehr verletzend, kam aber nicht unerwartet für mich.
ÖSTERREICH: Soll heißen: Die Vorwürfe gegen Sie hatten das Ziel, den U-Ausschuss zu verhindern?
HAIDINGER: Auffallend ist doch: Als die Entscheidung für den Ausschuss fiel, war plötzlich auch mit der Schmutzkübel-Kampagne gegen mich Schluss.
ÖSTERREICH: Ab Mittwoch tagt der U-Ausschuss, den es ohne Sie nie gegeben hätte. Nur: Die Öffentlichkeit interessieren die großen Fragen: Wurde im Entführungsfall Kampusch eine wahnwitzige Polizeipanne vertuscht? Gab es Begehrlichkeiten der ÖVP bei Bawag-Ermittlungen? Hat Philipp Ita als Kabinettchef zweier Minister Eskapaden geliefert, die unter den Teppich gekehrt werden sollten? Gab es Postenschacher im ÖVP-Innenministerium?
HAIDINGER: Ja, und?
ÖSTERREICH: Der U-Ausschuss prüft plötzlich 32 Punkte und wurde schon mit 15 Laufmetern Akten zugeschüttet. Besteht durch solche Überfrachtung nicht die Gefahr der Verwässerung?
HAIDINGER: Das mag schon sein. Aber vergessen Sie nicht, dass sehr engagierte Abgeordnete von jeder Fraktion im Ausschuss sitzen. Die meisten kenne ich aus meiner Zeit als BKA-Chef. Die wissen auch bei 15 Laufmetern genau, wo sie einhaken müssen.
ÖSTERREICH: Wann werden Sie aussagen?
HAIDINGER: Ich glaube, Mitte April. Ich werde gut vorbereitet sein. Und ich werde wieder die Wahrheit sagen.
ÖSTERREICH: Ein weiteres Resultat Ihrer Aussagen ist wohl, dass das Büro für Interne Angelegenheiten (BIA), also die Polizei der Polizei, überraschend aufgelöst wurde.
GERHARD SCHNEIDER: Das kam in der Tat über Nacht. Erzählt wird, dass Minister Platter vielleicht weitere Enthüllungen befürchtet und Schadensbegrenzung versucht.
ÖSTERREICH: Sie haben beide einen längeren Resturlaub und Freizeitausgleich konsumiert. Wie geht’s jetzt weiter?
SCHNEIDER: Ich glaube, ich bin noch im BKA – aber sicher bin ich mir nicht.
HAIDINGER: Meine Vorgabe ist: Ich arbeite jetzt an der Sicherheitsakademie (SIAK) – und dort im Institut für Wissenschaft und Forschung.
ÖSTERREICH: Was macht ein Mann, der das Bundeskriminalamt aufgebaut hat, auf so einem Abstellgleis?
HAIDINGER: Ich weiß nicht, ich war ja noch nie dort.