Ein Auftritt von ORF-Generalintendant Alexander Wrabetz bei einer Parteiveranstaltung der SPÖ Niederösterreich sorgt für Kritik.
ÖVP-Generalsekretär Hannes Missethon zeigt sich "besorgt über die Unabhängigkeit des ORF", wie er in einer Aussendung erklärte. "Wie passt die Unabhängigkeit des Unternehmens ORF damit zusammen, dass der Generaldirektor bei einer deklarierten Parteiveranstaltung applaudiert und ein Referat hält?", so Missethon.
Kritik auch von ZIB-Redakteuren
Der Auftritt von Wrabetz hat
allerdings nicht nur in den Reihen der ÖVP für Unmut gesorgt. Auch die
Redakteure der "Zeit im Bild" erneuerten ihre Kritik an "Auftritten von
Mitgliedern der Geschäftsführung bei parteipolitischen Veranstaltungen".
Solche habe man "immer abgelehnt", betonten Danielle Spera und Tarek
Leitner. "Selbst der äußere Anschein, nicht zu allen Parteien die gleiche
Distanz zu haben, ist der Objektivität unserer Berichterstattung
abträglich", so die "ZiB"-Sprecher in Richtung Wrabetz.
FPÖ wirft ÖVP Scheinheiligkeit vor
Eine Wortmeldung zur
Causa kam am Montag auch von Seiten der FPÖ, die wiederum der ÖVP
Scheinheiligkeit vorwarf, wenn sie "sich über die Unabhängigkeit des ORF
besorgt zeigt". Generalsekretär Harald Vilimsky erinnerte ebenfalls an
Lindners Auftritt bei der ÖVP im Jahr 2006 und resümierte: "Der ORF ist
neben seinen Quotenproblemen offenbar nur mehr ein Politstadl. Das ist
völlig inakzeptabel." Vilimsky schlug einen "Totalrückzug der Parteien vom
Küniglberg" als Problemlösung vor.
"Externer Gastreferent"
Im ORF spielt man die
Teilnahme Wrabetz' herunter und weist die Vorwürfe zurück. Der
Generaldirektor habe als "externer Gastreferent" lediglich einen
Vortrag zum Bildungsauftrag des ORF gehalten, sagte ein ORF-Sprecher.
Applaus für SPÖ-Gesamtschule-Konzepte
Laut ÖVP
Niederösterreich war Wrabetz bei der "Landesbildungskonferenz der
SP-NÖ" am vergangenen Freitagabend in Oberwaltersdorf als
Hauptredner aufgetreten. Inmitten "hochrangiger SPÖ-Funktionäre"
- die ÖVP nennt Landeshauptmann-Stellvertreterin Heidemaria Onodi, mehrere
Landesräte und Nationalratsabgeordnete - habe der ORF-Generaldirektor
Applaus für die SPÖ-Konzepte zur Gesamtschule gespendet.
Ähnlicher Auftritt bei den Grünen
Der ORF-Chef nehme "jede
Woche zwei bis drei Mal" an Veranstaltungen unterschiedlichster
Organisationen teil, um in Referaten und Diskussionen die Standpunkte des
ORF darzulegen. "Daraus kann beim besten Willen keine parteipolitische
Stellungnahme abgeleitet werden. Entsprechende Vorwürfe sind zurückzuweisen",
sagte der ORF-Sprecher. Einen ähnlichen Auftritt hatte Wrabetz etwa erst
Ende August bei der Grünen Bildungswerkstatt in Niederösterreich.
Erinnerung an Lindners ÖVP-Auftritt
In der ÖVP fühlt man
sich hingegen an jenen Sturm der Entrüstung erinnert, als die frühere
bürgerliche ORF-Chefin Monika Lindner im Nationalratswahljahr 2006 an einer
ÖVP-Parteiveranstaltung teilnahm. Lindner lauschte damals Ex-Bundeskanzler
Wolfgang Schüssels Rede zur Lage der Nation in vorderster Reihe inmitten der
Parteispitze und applaudierte dem damaligen VP-Obmann. SPÖ, Grüne, BZÖ und
FPÖ kritisierten Lindners Verhalten scharf. Auch damals waren die Redakteure
der "Zeit im Bild" nicht mit diesem Verhalten einverstanden. Kurze
Zeit später wurde die Plattform "SOS-ORF" gegründet.