Prozess

Kurz emotional: "Man will mich zerstören"

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Falschaussage? Ex-Kanzler mehr als vier Stunden vom Richter befragt.

Am Wort. Am Freitag, kurz nach 9.30 Uhr hatte Sebastian Kurz seine große Stunde. Erstmals nahm der Ex-Kanzler – abgesehen von einer Einvernahme vor zwei Jahren – zu den Falschaussagevorwürfen Stellung: Über 4 Stunden wurde er befragt.

Emotional. Kurz redete extrem viel, gestenreich – nicht nur einmal musste er in seiner Emotionalität von Richter Michael Ra­dasztics gebremst werden. Er scheute auch markige Formulierungen nicht: Zweimal erklärte Kurz, er sei „kein Trottel“. Zu Ehren kam auch Kurz als milder Chef, der auch höflich blieb, wenn Mitarbeiter „Sch... bauen“.

Doppelstrategie. Kurz fuhr eine brisante Doppelstrategie. Einerseits versicherte er, er habe vor dem U-Ausschuss im Juni 2020 die Wahrheit gesagt – andererseits schilderte er, wie sehr er damals unter Druck stand und wie feindselig SPÖ und Neos gewesen seien: „Man wollte mich zerstören.“ Kurz versuchte so vorzubauen: Falls ihn der Richter doch einer Falschaussage schuldig befinden sollte, könnte immer noch ein Aussage-Notstand greifen und ein Freispruch winken.

Öbag-Spitze an Schmid. Es geht um drei Vorwürfe, zunächst soll Kurz fälschlicherweise abgestritten haben, dass er es war, der Thomas Schmid zum Öbag-Chef habe machen wollen. Kurz konterte, das sei Schmid wichtiger gewesen als ihm. In die Defensive geriet er, als ihm sein berühmter Chat an Schmid „Bekommst alles, was du willst“ vorgehalten wurde. Kurz sagte, er habe Schmids Machtfülle bremsen wollen. Der Richter fand das angesichts von Schmids Antwort („Ich liebe meinen Kanzler“) nicht schlüssig – doch Kurz blieb dabei.

Schmid wird als erster Zeuge aussagen

Aufsichtsräte. Auch, dass er die Aufsichtsräte selbst bestimmt habe, stritt Kurz ab und blieb bei seiner Ausschussaussage. Schlussendlich beteuerte er, den berühmten Schmid-Schiefer-Sideletter nicht gekannt zu haben.

Um 14.45 Uhr beendete Radasztics die durch Pausen unterbrochene Verhandlung, am Montag ist Kurz’ Ex-Kabinettschef Bonelli dran. Noch etwas ist fix: Als erster Zeuge wird Schmid aussagen – aber erst im November.

Ex-Kanzler an Richter: "Mein Hirn ist doch kein Nudelsieb!"

Kurz scheute bei der Einvernahme auch das »Sch...-Wort« nicht

  • Kurz’ erster Satz am Freitag: „Ich bekenne mich nicht schuldig.“
  • Kurz zur Situation im U-Ausschuss: „Als Politiker benötigt man sowieso eine dicke Haut, aber im U-Ausschuss ist mir schwerste Korruption unterstellt worden. (...) Jeder Mordverdächtige wird bei Gericht respektvoller behandelt als ich hier im U-Ausschuss.“
  • Gab es Aussage-Notstand? „Ich hatte natürlich die Angst, in irgendein Verfahren gezogen zu werden. Zwar sind Verfahren eingestellt gewesen – aber ich bin ja kein Trottel, es kann ja alles wieder aufgenommen werden. Es war damals eine furchtbare Situation für uns.“
  • Nicht gut vorbereitet: „Ich war nicht gut vorbereitet, ich habe wahrscheinlich zu schnell geantwortet. Ich konnte mich auch nicht gut erinnern. Und drittens hatte ich Angst, dass jedes Wort umgedreht werden könnte.“
  • Schmid ein Super-Typ? „Ich kann nicht ausschließen, dass ich mit Schmid über die Öbag gesprochen habe. Ich habe immer jeden ein gutes Gefühl geben wollte, ich habe gesagt: Du bist ein Super-Typ. Das heißt aber nicht, dass ich mich sofort für ihn eingesetzt habe.“
  • Kurz verwendet das Sch...-Wort: „Ich habe niemals einen Mitarbeiter angeschrien. Auch nicht, wenn dieser einen Sch... gebaut hatte. Ich selbst habe mich dann oft selbst schlechter gefühlt als der Mitarbeiter, dem ich den Fehler mitgeteilt habe.“
  • Kurz will Öbag-Aufsichtsräte nicht bestimmt haben: „Ich habe Siegfried Wolf vorgeschlagen und ich habe Karl Theodor Guttenberg vorgeschlagen – beide sind es nicht geworden.“
  • Emotional: „Ich habe doch kein Hirn wie ein Nudelsieb. Ich hätte nicht vergessen, dass ich Aufsichtsräte ausgewählt habe und dann fünf Tage später habe ich den Guttenberg vorgeschlagen.“
  • Keine Lemminge: „Die Aufsichtsräte werden von der WKStA so dargestellt, als seien sie Lemminge. Ich habe auf keinen einzigen Einfluss genommen.“
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