Die Republik gibt das größte NS-Bauwerk Österreichs, Gusen, ab.
Für das größte NS-Bauwerk Österreichs, die unterirdischen Stollen des ehemaligen KZ Gusen in Oberösterreich, wird ein neuer Eigentümer gesucht. Die Bundesimmobiliengesellschaft ist bereit, die Anlage ohne Gegenleistung abzugeben. Um die Zukunft der Stollen ist mittlerweile ein Streit entbrannt.
Zur Sicherheit zuschütten
Hintergrund ist die Sicherung des
einsturzgefährdeten Stollensystems, das bereits zwischen 2002 und 2005
teilweise verfüllt wurde. Im Mai dieses Jahres sind erneut die Betonmischer
aufgefahren. Wenn diese letzte Baustufe abgeschlossen ist, sollen nur mehr
zwei von sieben Kilometern übrig sein. Die BIG begründet diese Maßnahmen mit
"Gefahr in Verzug". Der Linzer Sand im Untergrund habe den "Rieselfaktor von
Kristallzucker", erklärte Projektleiter Karl Lehner.
"Jeder Meter ist ein Toter"
Bei vielen Bürgern und beim
zuständigen Gedenkkomitee schrillten daraufhin die Alarmglocken: Man wünsche
sich hier eine Gedenkstätte. "Auch wenn wir in Österreich wenig über die
Geschehnisse in Gusen aufgeklärt sind, so ist das ein weltbekanntes
Bauwerk", sagte Vorstand Rudolf Haunschmied. Im Ausland wisse man meist
besser über die Ereignisse in der Anlage während der NS-Zeit Bescheid als
bei uns. Beim Bau der bis zu 40 Meter tief unter der Erde liegenden Stollen
seien mehr als 10.000 Menschen umgekommen. "Das ist vergleichbar mit den
Pyramiden in Ägypten, jeder Meter ist ein Toter."
Arbeits- und Vernichtungslager
Im KZ Gusen waren zeitweise mehr
Menschen inhaftiert als im bekannteren Hauptlager Mauthausen. Mindestens
70.000 Menschen wurden zwischen 1939 und 1945 hierher gebracht, mindestens
35.800 von ihnen starben. Bis 1942 war Gusen vor allem ein
Vernichtungslager, in den letzten Kriegsjahren wurden Teile der
Messerschmitt-Flugzeugproduktion in die unterirdische Stollenanlage
verlagert. 1945 versuchten die Sowjets, die Anlage zu sprengen und
zerstörten sie teilweise. Seither kommt es immer wieder zu Einbrüchen.
Gelände gratis zu haben
Die BIG stelle sich nicht gegen eine
Gedenkstätte, betont BIG-Sprecher Ernst Eichinger. Eine mögliche Errichtung
liege allerdings in der Kompetenz des Innenministeriums. "Wer die
Stollenanlage haben will, kann sie entgeltfrei haben", bot er an und fügte
hinzu, das gelte auch nach Abschluss der Sicherungsmaßnahmen, die insgesamt
zwölf Mio. Euro kosten.
"Bergkristall" erhalten
Haunschmid will sich sofort auf
die Suche nach einem neuen Eigentümer machen. Es gebe die Bereitschaft des
Landes, Geld in die Hand zu nehmen, vorausgesetzt der Bund täte das auch,
meint er. Der Vorstand des Gedenkkomitees bittet die BIG um Drosselung des
Tempos: "Die weltweit wichtigste Holocaust-Gedenkorganisation ITF hat den
Antrag gestellt, den "Bergkristall" (so der Deckname der Nazis für Gusen)
soweit wie möglich zu erhalten und eine Gedenkstätte zu errichten." Außerdem
hat er beim Wirtschaftsministerium einen Baustopp beantragt. Laut BIG gibt
es aber bisher keine entsprechende Weisung.