Ein Kommentar von oe24-Chefredakteur Niki Fellner.
Vier Jahre lang hat das Verfahren gegen Sebastian Kurz gedauert. Übrig bleibt am Ende ein Freispruch für den Ex-Kanzler in allen Anklagepunkten. Für Kurz ist das nicht nur eine persönliche Genugtuung, sondern vor allem auch eine juristische und politische Rehabilitierung. Nicht wenige seiner Kritiker hatten ihn in den vergangenen Jahren schon halb im Gefängnis gesehen. Jetzt stehen Kurz die Türen für ein Polit-Comeback wieder offen, sofern er das in den nächsten Jahren anstrebt.
Für die WKStA ist der Kurz-Freispruch hingegen eine weitere schwere Schlappe. 30 Zeugen wurden einvernommen, die Anklageschrift war über 100 Seiten lang, der Ermittlungsakt sogar mehr als 1.000 Seiten. Und das alles wegen der Frage, ob Kurz im U-Ausschuss mit Ja oder Nein geantwortet hat. Man muss kein Kurz-Fan sein, um dahinter ein politisches Kalkül zu vermuten.
Der Druck von WKStA, Politik und Medien hat das Oberlandesgericht am Ende nicht beeindruckt. Der Richtersenat hat am Montag ein Urteil gesprochen, ohne dabei auf diverse Einflüsterer Rücksicht zu nehmen. Das stärkt den zuletzt durchaus angekratzten Glauben an die unabhängige Justiz in Österreich.
Fest steht aber auch, dass der Kurz-Freispruch einmal mehr Anlass dafür sein sollte, um über die unverhältnismäßig langen Verfahrensdauern zu diskutieren. Sebastian Kurz konnte sich die (hohen sechsstelligen) Kosten für Anwälte, Gutachten und Verfahren leisten. Viele weniger prominente Angeklagte können das nicht, sie werden durch ewig lange Verfahren in den finanziellen Ruin getrieben. Da hilft am Ende dann oftmals auch ein Freispruch nicht - auf dem Großteil der Kosten bleibt man in Österreich nämlich auch dann sitzen, wenn man unschuldig ist ...