Erstmals gab ein Ressortchef - nämlich Justizministerin Berger - zu, aus Zeitmangel die Vorlage für den Asylgerichtshof nicht studiert zu haben - wie auch einige Kollegen.
Am Dienstag gestand die rote Justizministerin Maria Berger ein, dass sie seinerzeit beim Ministerrat so unter Zeitdruck gestanden war, dass sie die Vorlage für den Asylgerichtshof nicht ordentlich lesen konnte. Das sei der Grund gewesen, wieso sie zuerst zugestimmt und erst im Nachhinein Kritik abgebracht habe. Den anderen Ministern sei es nicht besser ergangen, so Berger.
Schwarzer Aufstand
ÖVP-Innenminister Günther Platter ritt
daraufhin am Mittwoch eine scharfe Attacke gegen die Kollegin. Er gehe davon
aus, dass sie das aus dem Bundeskanzleramt stammende Gesetz zum
Asylgerichtshof mittlerweile "gelesen und verstanden" habe, so
Platter.
Las Platter den Entwurf?
Die Frage, ob er selbst das Gesetz zum
Asylgericht vor dem Beschluss im Ministerrat genau gelesen hat, ließ Platter
offen. Er zeigte sich aber mit der Entstehung eines Asylgerichts sehr
zufrieden. Eine Beschleunigung der Asylverfahren sei gut.
Unter keinem guten Stern
Der Asylgerichtshof ist eine der
heftigst umstrittenen Materien dieser Tage. Zoff gibt es nicht nur zwischen
Rot und Schwarz, sondern auch SPÖ-intern. Druck kommt zusätzlich von
unzähligen, arrivierten Juristen und den großen
Menschenrechstorganisationen.
Eine Instanz weniger
Hauptkritikpunkt ist die Tatsache, dass den
Asylwerbern die Berufungsmöglichkeit vor dem Verwaltungsgerichtshof genommen
wird, damit Verfahren schneller abgewickelt werden können. Der Instanzenweg
wird für sie kürzer, ihre Chancen geringer. Das ist umso skurriler, als sich
ein kleiner Verkehrssünder sehr wohl mit seiner Verwaltungsbeschwerde an den
Gerichtshof wenden kann, wenn er sich falsch behandelt fühlt.
Roter Zwist
Nach dem ominösen Ministerrat hatten Berger,
SPÖ-Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, SPÖ-Justizsprecher Hannes
Jarolim und der rote Volksanwalt Peter Kostelka den Entwurf in Frage
gestellt. Dementgegen hielten Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und
SPÖ-Klubobmann Josef Cap daran fest.
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Juristen auf die Barrikaden
Auch zahlreichen hochrangigen
Rechtspflegern ist der Asylgerichtshof ein Dorn im Auge. Heftige Schelte
hatten Verfassungsgerichtshofspräsident Karl Korinek für den Entwurf parat,
VwGH-Präsident Clemens Jabloner, die Verfassungsexperten Heinz Mayer und
Bernd-Christian Funk. Selbst der frühere Verfassungsgerichtshofspräsident
Ludwig Adamovich meldete sich zu Wort, sowie der Präsident der Wiener
Rechtsanwaltskammer Harald Bisanz.
Fassungslose NGOs
Erheblich Empörung machte sich bei den
Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, SOS-Mitmensch,
Asylkoordination, Diakonie, Volkshilfe und Integrationshaus breit.
ÖVP macht die Mauer
Nichtsdestoweniger war die ÖVP zu
keiner Abänderung in der Frage des verkürzten Instanzenzugs bereit. Allen
voran ÖVP-Chef Vizekanzler Wilhelm Molterer drängte auf eine rasche
Umsetzung.
Beschluss gefällt
Am Mittwochnachmittag beschloss das
Parlament den Asylgerichtshof. An seiner Ausgestaltung hat sich zwar noch
ein bißchen etwas geändert. Die strittige Verkürzung des Instanzenzugs ist
aber geblieben.