In einer persönlichen Erklärung machte der SPÖ-Gewerkschafter und Abgeordnete deutlich, warum er gegen die Impfpflicht stimmte.
Wien. Gestern wurde das Impfpflicht-Gesetz im Hauptausschuss des Nationalrates beschlossen. 137 Abgeordnete stimmten dafür – damit segnete eine 80%-Mehrheit das neue Gesetz ab. Insgesamt gab es nur 33 Gegenstimmen (mehrere Abgeordnete fehlten bei der Abstimmung), die Mehrheit davon von der FPÖ, die geschlossen gegen die Impfpflicht stimmte. Die SPÖ wiederum fasste den Plan geschlossen dafür zu stimmen. Allerdings ging das nicht ganz auf.
Der SPÖ-Abgeordnete Josef Muchitsch stimmte offen gegen das Impfpflicht-Gesetz (vier weitere SPÖ-Abgeordnete fehlten "krankheitsbedingt"). "Es war für mich die bisher schwierigste politische Entscheidung", sagte er in einem persönlichen Statement nach der Sitzung. "Ich bin dreimal geimpft und auch überzeugt, dass die Impfung zur Grundimmunisierung, als Schutz vor schweren Verläufen und zur Eindämmung des Virus wirkt. Ich bin aber gegen die mit krassen Schwächen durchgepeitschte Gesetzesvorlage zur Corona-Impfpflicht!", schreibt er auf seiner Homepage.
So erklärt er seine Entscheidung:
"Erst in einigen Monaten werden wir letztendlich wissen, ob dieses Gesetz richtig oder falsch war. Nach Abwägung aller Argumente, Für und Wider, möchte ich nur einige Gründe, welche für meine Ablehnung ausschlaggebend waren, anführen ...
Impfpflicht auch für 3-fach Geimpfte
Mit diesem Beschluss erhält der Gesundheitsminister die Möglichkeit, per Verordnung auch bereits geimpfte Personen (inklusive der derzeit 4,1 Millionen 3-fach Geimpften) in der „Phase 3 des Gesetzes“ zu weiteren Impfungen unter Strafandrohung zu verpflichten.
Für Behörden und Ärzte nicht schaffbar
Bereits in den letzten 23 Monaten hat es die Regierung nicht geschafft, notwendige Strukturen aufzubauen, um einen reibungslosen Ablauf - von ausreichenden Testangeboten und der zeitgerechten Auswertung von Testergebnissen bis zur Erstellung von Bescheiden - zu ermöglichen.
Wie soll das in Zukunft über die Bezirkshauptmannschaften bis hin zu den Gerichten in der „Phase 3“ funktionieren, wenn das Gesundheitsministerium mit bis zu einer Million Einsprüchen rechnet? Diese Frage stellt sich auch bei den ÄrztInnen, welche zukünftig Ausnahmebescheinigungen ausstellen sollen.
Keine Rechtssicherheit zu 3G am Arbeitsplatz
Viele aufgeworfene arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Fragen in den Stellungnahmen von ÖGB und AK wurden nicht beantwortet und auch nicht in den zuständigen Gesetzen geregelt. So gibt es bei der Frage „3G am Arbeitsplatz" letztendlich nur eine politische Absichtserklärung – jedoch keine rechtliche Grundlage. Gerade in den letzten Tagen setzen aber immer mehr Betriebe eine 2G-Regelung am Arbeitsplatz um.
Gleichstellung am Arbeitsplatz
Man will die Bevölkerung mit diesem Gesetz bestmöglich schützen. Warum gilt dann diese Impfpflicht nur für ArbeitnehmerInnen mit Wohnsitz oder Sozialversicherung in Österreich? Warum werden ArbeitnehmerInnen mit Wohnsitz in Österreich in der „Phase 2“ ab 15. März 2022 bei Polizeikontrollen mittels Anzeige bestraft und ArbeitnehmerInnen mit Wohnsitz im Ausland, welche in Österreich arbeiten, nicht?
Das gleiche gilt für Selbstständige mit Firmensitz im Ausland. Denken wir auch an die vielen Ein-Personen-Unternehmen. Denken wir auch an die vielen entsandten ArbeitnehmerInnen nach Österreich in den verschiedenen Branchen, wie Tourismus, Pflege, Handel, Reinigung, Produktionsbetriebe und am Bau. Gefährden diese Personen nicht die Gesundheit unserer Gesellschaft? Führt dies nicht zu einer noch größeren Spaltung unter den Beschäftigten am Arbeitsplatz? Hier geht es um die Gleichstellung aller Kolleginnen und Kollegen.
Auch die 467.000 AuslandsösterreicherInnen sowie alle Gäste im Tourismus sind von der Impfpflicht ausgenommen. Eine Impfpflicht macht daher allein aus diesen Gründen nur Sinn, wenn es zumindest in Europa einheitliche Regelungen gibt.
Die beiden alternativen Impfstoffe, der Protein-Impfstoff von Novavax und der klassische Totimpfstoff vonValneva, stehen noch nicht zur Verfügung
Ich teile die Meinung der Wissenschaft, zumindest bis zur Zulassung dieser beiden Impfstoffe zu warten, denn damit hätten wir sicher weitere 5 Prozent der Bevölkerung - wenn nicht mehr - dazu bewegen können, sich impfen zu lassen, ohne sie strafen zu müssen und somit auch vor dem Herbst ohne Zwang rechtzeitig eine hohe Impfquote erreichen können.
Meine Bedenken und Zweifel zu diesem Gesetz bei der Zuverlässigkeit, der Durchführbarkeit, der Rechtmäßigkeit, der Sinnhaftigkeit und der Zeitpunkt haben mich zu meinem Entschluss bewogen, nicht zuzustimmen. Ich bedanke mich aber bei allen Kolleginnen und Kollegen im SPÖ-Klub, welche in den letzten Stunden Verständnis für meine Entscheidung gezeigt haben.
Ich bin nach wie vor überzeugt, dass es nur mit einer ehrlichen Aufklärung und Information gemeinsam gelingen kann, noch viele Menschen von einer Impfung zu überzeugen und wir nur so endlich diese Pandemie hinter uns lassen können, um wieder so leben zu können wie vor der Pandemie."