Basierte die Hausdurchsuchung beim Finanzminister auf einem Irrtum?
13 Seiten umfasst die Anordnung zur Hausdursuchung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen Finanzminister Gernot Blümel. Der geheime Akt liegt oe24 vor. Und er zeigt: Die Suppe der Vorwürfe, auf denen die Hausdurchsuchung begründet wurde, ist ziemlich dünn.
Tatverdacht
So schreibt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft unter dem Punkt „Tatverdacht“:
„Es besteht der Verdacht, es haben in Wien Mag. Harald NEUMANN (ehemalige Novomatic-Chef, Anm. d. Red.) am 12. Juli 2017 einen Amtsträger, nämlich Sebastian KURZ in seiner Eigenschaft als Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäfts, nämlich in dessen Funktion als Außenminister im Rahmen seiner ihm nach dem Bundesministeriengesetz zugewiesenen Aufgaben in einer Steuerangelegenheit einer Tochter der NOVOMATIC AG in Italien zu intervenieren, einen Vorteil in einem zumindest 3.000 Euro übersteigenden Wert angeboten eventualiter Mag. Gernot BLÜMEL, MBA dazu bestimmt, diesen Sebastian KURZ anzubieten, indem er Mag. BLÜMEL, MBA bat, möglichst noch in dieser Woche einen Termin mit Sebastian KURZ „erstens wegen Spenden und zweitens bezüglich eines Problems, das wir in Italien haben“ zu veranlassen, gemeint eine dem NOVOMATIC-Konzern drohende Steuernachzahlung von 50 bis 60 Millionen Euro, wobei Mag. NEUMANN beabsichtigte, dass Mag. BLÜMEL, MBA Sebastian KURZ bereits anlässlich der Terminanfrage über das Spendenangebot in Kenntnis setzen würde.“
„Der Tatverdacht, den die WKStA gegenüber Blümel äußert, lautet: Mag. BLÜMEL, MBA Sebastian KURZ den unter Punkt 1. dargestellten Vorteil als Mittelsmann angeboten, indem er ihn über das Angebot des Mag. NEUMANN in Kenntnis setzte; Nach der Verdachtslage haben daher Mag. NEUMANN und Mag. BLÜMEL, MBA das Verbrechen der Bestechung SS 307 Abs 1 und 2 erster Fall StGB begangen.“
Kontakt mit Novomatic-Chef
Als Sachverhalt listet die WKStA in dem Akt jene Tage im Juli auf, an denen der ehemalige Novomatic-Chef Kontakt mit Blümel aufnahm. Am 10. Juli hätte Neumann demnach Kenntnis erhalten, „dass die italienischen Finanzstrafbehörden bei der italienischen Tochter NOVOMATIC ITALIA S.p.A. wegen nicht dem Fremdvergleich standhaltender, konzerninterner Verrechnungen mit der österreichischen NOVOMATIC GAMING INDUSTRIES GmbH Strafen und Steuernachzahlungen in Höhe von 50 bis 60 Millionen Euro in Aussicht stellten.“ Ebenfalls am 10. Juli hätte Neumann dann mit dem damaligen Kabinettschef im Finanzministerium, Thomas Schmid, Kontakt aufgenommen, ob er oder der damalige Finanzminister Hans-Jörg Schelling Kontakt zum italienischen Finanzministerium hätten.
Am 12. Juli um 7.34 Uhr in der Früh schickte Neumann dann schließlich jene WhatsApp-Nachricht an Blümel, auf die die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft scheinbar den kompletten Beschuldigten-Status des Finanzministers sowie die damit in Zusammenhang stehende Hausdurchsuchung begründet: ,,Guten Morgen, hätte eine Bitte: bräuchte einen kurzen Termin bei Kurz (erstens wegen Spende und zweitens bezüglich einen Problemes (sic!) das wir in Italien haben)! Glauben Sie geht sich das noch diese Woche aus?? Ig Harald"
Rund drei Stunden später – um 10.18 Uhr – kontaktierte Blümel (er war damals nicht-amtsführender Stadtrat in Wien und nicht in der Bundesregierung) daraufhin Schellings Kabinettschef Schmid, ebenfalls per WhatsApp: „Bitte ruf den Neumann zurück. Tu es für mich“. Dazu zwei Küsschen-Emojis. Um 12.43 Uhr kontaktierte Schmied dann schließlich Neumann und „avisierte einen Rückruf“. "Anlässlich eines Telefonats gegen 17:00 Uhr besprachen MMag. SCHMID und Mag. NEUMANN die drohende Steuernachforderung der italienischen Finanz sowie die diesbezüglichen Unterstützungsmöglichkeiten von MMag. SCHMID und dem BMF.“
Blümel: Hat keine Spenden gegeben
Auf Seite 5 schreibt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, einen Absatz, der den Tatverdacht und die Hausdurchsuchung zumindest in Frage stellt: „Es gibt derzeit keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass MMag. SCHMID von dem Spendenangebot in Kenntnis war, auch wenn dies aufgrund des engen Vertrauensverhältnisses zu Mag. BLÜMEL, MBA naheliegend wäre. Es kann derzeit nicht festgestellt werden, ob Sebastian KURZ das Angebot angenommen hat. Es gibt derzeit keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass Sebastian KURZ aufgrund des Angebots in seiner Funktion als Außenminister Handlungen setzte.“ Nun sei durch Ermittlungen zu klären: „Ob es zu einer finanziellen Zuwendung aus der Sphäre der NOVOMATIC AG in die Sphäre des Sebastian KURZ und/oder der ÖVP kam.“ Sowohl Blümel als auch die Novomatic bestreiten das vehement. Es habe keine Spenden gegeben.
Besonders brisant: Die WKStA nennt als einen Beweis für den Tatverdacht gegen Blümel: „Am 25. Juli 2017 findet sich im Terminkalender der persönlichen Assistentin des Johann GRAF (Novomatic-Eigentümer, Anm. d. Red.) ein Termin mit dem Betreff „Kurz".“ Der Pressesprecher von Graf bestreitet in einem Statement gegenüber oe24 allerdings, dass es sich bei diesem Eintrag um einen Termin mit Sebastian Kurz gehandelt habe: „Bei dem von der WKStA angeführten Termin im Juli 2017 mit dem Betreff "Kurz" handelt es sich nach Erinnerung meines Mandanten um eine Besprechung mit Frau Mag. Martina Kurz, die Herr Prof. Graf öfter getroffen hat, zumal sie damals auch Mitglied des Aufsichtsrats der Novomatic AG war. Mit dem früheren Außenminister und nunmehrigen Bundeskanzler Sebastian Kurz und auch mit Finanzminister Gernot Blümel hatte Herr Prof. Graf noch nie Kontakt. Folglich kann ausgeschlossen werden, dass Herr Prof. Graf im Juli 2017 Herrn Bundeskanzler Kurz oder Herrn Finanzminister Blümel getroffen hat.“
„Wenn die Hausdurchsuchung bei Finanzminister Blümel wirklich auf einem falschen Kalendereintrag basiert, dann wäre das eine Bombe und eine unfassbare Peinlichkeit für die WKStA“, so ein Justizinsider zu oe24.