Susanne Scholl

ORF-Journalistin in Tschetschenien festgenommen

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Die ORF-Journalistin und Russland-Spezialistin Susanne Scholl ist in Tschetschenien festgenommen worden.

Die Russland-Korrespondentin des ORF, Susanne Scholl, sowie ihr Kameramann und ihr Tontechniker wurden am Freitag bei Recherchen in der kaukasischen Krisenprovinz Tschetschenien vorübergehend festgenommen.

Sie seien bei einem Straßenposten aufgehalten worden, schildert Scholl. Anschließend hätten sich zwei junge Männer als Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes FSB vorgestellt und hätten behauptet, das Team habe illegal in Tschetschenien gefilmt. Scholl, ihr Kameramann und ihr Tontechniker wurden auf eine Polizeistation in der nahegelegenen Stadt Nasran in der Provinz Inguschetien gebracht und dort sechs Stunden festgehalten. Schließlich wurde ihnen ein Satellitentelefon und die an dem Tag in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny aufgenommene Videokassette abgenommen, dann wurden sie freigelassen. Scholl und ihre Mitarbeiter hoffen, am Samstag mit einem Flugzeug aus Nasran wieder nach Moskau zurückkehren zu können.

"Nichts Verbotenes gefilmt"
Scholl hat am Freitagabend in der ZiB betont, dass sie und ihr Kamerateam in Tschetschenien "nichts gefilmt" habe, "was verboten ist". Das Team hatte die Arbeit in Tschetschenien abgeschlossen und sei auf dem Weg in die benachbarte Provinz Inguschetien gewesen, um von dort nach Moskau zurückzufliegen. Nach den Vorfällen habe sie den Eindruck, dass "man keine Journalisten in Tschetschenien will", sagte die langjährige Moskau-Korrespondentin.

Befehl aus Moskau vermutet
Die ORF-Russland-Korrespondentin Susanne Scholl vermutet eine Absicht Moskaus hinter ihrer vorübergehenden Festnahme in Tschetschenien am Freitag. "Der Befehl kam vermutlich aus Moskau", sagte Scholl in der "ZiB2" am Freitagabend. Russland wolle "keine Journalisten, vor allem keine ausländischen Journalisten" in der Krisenprovinz haben.

Sechs Stunden lang festgehalten
Scholl war sechs Stunden lang auf der Polizeistation in Atschchoi-Martan festgehalten worden. Wie der Chef der ORF-Außenpolitik, Peter Fritz, erklärte, vermutet die Journalistin, dass es sich um Agenten des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB gehandelt habe. Diese hätten Scholl nach Abschluss der Dreharbeiten angehalten und gesagt, dass die Drehgenehmigung nicht ausreichend sei, berichtete Fritz.

Moskau teilt österreichische Kritik
Die österreichischer Botschafter in Moskau, Martin Vukovich, habe im Fall der festgenommenen ORF-Korrespondentin interveniert, bestätigte die Sprecherin des Außenministeriums, Astrid Harz. Das österreichische Außenministerium habe dem russischen Außenamt durch eine Verbalnote mitgeteilt, "dass es nicht sein kann", dass Scholl und ihr Team festgenommen und das Material beschlagnahmt werde, obwohl die Dreharbeiten genehmigt worden seien. In der Antwort habe Moskau betont, dass es die österreichische Sicht teile, erklärte Harz.

Eigenmächtigkeit der Behörden
Die russischen Behörden stellten die Festnahme der Journalistin als Eigenmächtigkeit der tschetschenischen Behörden dar. Diese haben von der ORF-Korrespondentin die Herausgabe des Materials verlangt, was diese verweigerte, ergänzte Harz. Daraufhin habe sich Scholl an die Botschaft gewandt; am Freitagnachmittag sei sie freigelassen worden. Laut Fritz musste Scholl ein Satellitentelefon und die Kassette, die sich in der Kamera befand, zurücklassen. Es sei versprochen worden, dass das Material dem russischen Außenministerium zugestellt werde.

Wrabetz will Protest einlegen
Am Rande der St. Pöltner Medientage erklärte der künftige ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, dass der ORF bei der russischen Botschaft in Wien Protest gegen das Vorgehen der russischen Behörden gegen die Journalistin einlegen werde.

Medienfreiheit unlängst kritisiert
Scholl hatte am 9. November bei einem Vortrag in Wien eine kritische Bilanz der Medienfreiheit in Putins Russland gezogen. Der Kampf gegen unabhängige, nicht vom Kreml kontrollierte Medien sei unter Präsident Vladimir Putin "sehr energisch" geführt worden, sagte Scholl bei der Verleihung des europäischen Journalistenpreises "Writing for CEE" an den bosnischen Journalisten Sefik Dautbegovic in Wien. In Putins Russland gebe es nur zwei Sorten von Journalisten: "Solche, die schreiben, was dem Präsidenten genehm ist - und die Feinde".

Journalisten sehen sich immer wieder vor die Wahl gestellt, ihre Familien nicht mehr ernähren zu können oder sich zu unterwerfen. Manche russische Journalisten hätten sich auch schlichtweg verkauft. "Sie sind unter das Kremldach gekrochen - wie man auf Russisch sagt, wenn sich jemand unter den Schutz eines Mächtigen begibt." Ähnliches gebe es auch im Westen, warnte Scholl vor moralischer Überheblichkeit gegenüber den Ländern des ehemaligen Ostblocks.

Journalisten-Club übt Kritik
Der Österreichische Journalisten Club hat am Freitag in einer Aussendung gegen die vorübergehende Festnahme protestiert. Die Verfolgung von unliebsamen Journalisten scheine in Russland immer mehr an der Tagesordnung zu stehen, hieß es in einer Aussendung. "Auch Mord und Einschüchterung können einen kritischen Journalismus nicht verhindern. Der ÖJC ersuchte Außenministerin Ursula Plassnik, dieses Thema bei nächster Gelegenheit mit ihrem russischen Amtskollegen zu besprechen.

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