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Migrationsexpertin prangert bei Wolf an: "Politik des Sterbens" muss enden

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ZiB2 Migrationsexpertin Judith Kohlenberger meint bei Wolf: "Paket gibts nur, weil Wahlen anstehen" 

Armin Wolf stellt zu Beginn des Themenblockes die Frage in den Raum: "Wie soll die  EU  mit den vielen tausend Flüchtlingen umgehen, die jedes Jahr kommen und ungleich aufgeteilt werden auf die EU-Staaten?"

Das große Asylpaket - darum geht's

  • Künftig soll es unter anderem einheitliche Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen geben. Geplant ist insbesondere ein deutlich härterer Umgang mit Menschen aus Ländern, die als relativ sicher gelten.
  • Bis zur Entscheidung über den Asylantrag sollen die Menschen unter haftähnlichen Bedingungen in Auffanglagern untergebracht werden können.
  • Migranten, die in Booten kommen werden bislang noch nicht beachtet im Paket.

Das ZiB2-Interview mit Migrationsforscherin Judith Kohlenberger von der WU Wien sorgte am Mittwoch für ziemliche Aufregung. Die Expertin war zu Gast bei Armin Wolf. 

Migrationsexpertin prangert bei Wolf an:
© oe24
× Migrationsexpertin prangert bei Wolf an:

Politik des "Sterben-lassens"  

Kohlenberger greift gleich das Thema Flüchtlinge entlang der Balkan-Route oder im Mittelmeer auf. Das würde gar nicht geachtet. Sie würde die Reform nicht als historischen Durchbruch oder zukunftsweisend bezeichnen. Kohlenberger fragt: "Weil die Antworten auf wichtige Fragen nicht gegeben werden, etwa: Wie kann man Rückführungen forcieren und wie kann man den Druck im System fairer verteilen und vor allem: Wie können wir diese Politik des "Sterben-lassens", die derzeit an den Außengrenzen passiert, beenden?"

Arbeitsmigranten

Armin Wolf meint, vielleicht müsse man von vorneherein klar machen, dass Arbeitsmigranten nicht nach Europa reinkommen und andere es gar nicht versuchen? Kohlenberger: "Man setzt zu spät an, wenn die Leute schon an den Grenzen stehen. Um das zu verstehen, muss man Migration weltweit verstehen: Die meisten Menschen haben viel auf sich genommen, bevor sie nach Europa kommen, das eigene Leben steht auf dem Spiel, sie haben Strapazen durchgemacht und hohe finanzielle Ausgaben gehabt. Dann ist es der letzte Schritt. Die demotivierende Wirkung ist nicht mehr gegeben. Man setzt zu spät an und nicht bei den Ursachen."

"Europa oder der Tod" 

"Was ist mit den Menschen, die keine Chance auf Asyl haben, die zur Grenze kommen, abgelehnt werden und nach drei Monaten weg sind, machen sich dann nicht weniger Menschen auf den Weg?", fragt Wolf. Kohlenberger: "Es gibt einen Spruch vor allem südlich der Sahara: "Europa oder der Tod". Das beschreibt die absolute Perspektivlosigkeit vor allem der jungen Menschen. Ich glaube was diese Reformen außer acht lässt sind Alternativen für die Menschen, die arbeiten wollen, aber keine Aussicht auf ein schnelles Visa-Verfahren haben. Geregelte Formen der Zuwanderung wären konsensfähig."

Arbeitskräftebedarf ist großes Thema 

Wolf will wissen: "Muss man das nicht den Mitgliedsstaaten überlassen, wie viele Menschen ein Land für den Arbeitsmarkt will und braucht?" Kohlenberger entgegnet: "Arbeitskräftebedarf ist ein großes Thema. Wenn wir das den Gemeinden, Bezirken überlassen, gibt es einen Fleckerlteppich. Weil gegenseitig Arbeitskräfte abgeworben werden. Eine ganzheitliche Lösung wäre sinnvoll."

Struktur und Kontrolle

Ungarn würde schon lange gegen geltendes Recht verstoßen bringt Kohlenberger ins Treffen. Wolf meint: "Nichts zu tun ist auch keine Möglichkeit, ist dieser Plan nicht besser, als gar kein Plan?" Kohlenberger verortet die Wahlen als Treiber für die Verabschiedung des Pakets. Man solle nicht nur mit der Sicherheitsbrille auf das Thema schauen, auch Sozialministerien wären gefragt, statt Innen- oder Justizministerium. "Damit wir nicht nur auf die Defizite achten." Es braucht: "Reguläre Zugangsmöglichkeiten. Große Demographische Krise in der EU ernst nehmen. Struktur schaffen, Kontrolle."

"Wie viele Menschen kann Europa vertragen?" will Wolf wissen. Kohlenberger: "Kann keine Zahl nennen, das wäre unseriös. Wir müssen Systeme schaffen. Denn bei jeder Fluchtbewegung tun wir so, als wäre es das erste Mal."

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