U-Ausschuss: Sobotka übermittelte Schlussbericht an Fraktionen

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Der vorläufige Schlussbericht ist über 500 Seiten stark und bereitet die vier Beweisthemen in acht Kapiteln auf.

Wien. Der Vorsitzende des ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschusses, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), hat am Mittwoch den Fraktionen im U-Ausschuss den auf einem Vorschlag von Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl fußenden, vorläufigen Schlussbericht übermittelt. Er ist über 500 Seiten stark und bereitet die vier Beweisthemen in acht Kapiteln auf.

Empfohlen wird darin etwa die Schaffung einer unabhängigen, weisungsfreien Bundesstaatsanwaltschaft, aber auch "nicht öffentliche" Ermittlungsverfahren nach deutschem Vorbild. Zur Wahrung der Grund- und Persönlichkeitsrechte von Verfahrensbeteiligten sollte ein Straftatbestand geschaffen werden, der unter anderem die Veröffentlichung der Anklageschriften oder anderer amtlicher Dokumente eines Strafverfahrens verbietet, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen wurde.

Zudem werden gesetzliche Schutzmaßnahmen für private Nachrichten (Chats) und Handydaten ebenso angeregt wie die Verabschiedung eines umfassenden Informationsfreiheitsgesetzes und - wohl mit Blick auf Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) - eine "Cooling-off-Phase" Minister und in der Gesetzwerdung verantwortliche Personen, die sich als Richter zum Verfassungsgerichtshof bewerben. 

Sanktionierende Verwaltungsstrafe statt Beugestrafe

In puncto Verfahrensordnung regt der auf der Expertise von Pöschl beruhende Abschlussbericht unter anderem die Aufwertung der Position des Verfahrensrichters etwa bei der Erstellung der Ladungslisten oder eine eigenständige Befugnis bei der Entscheidung über die Zulässigkeit von Fragen an. Zudem sollte die Beugestrafe durch eine sanktionierende Verwaltungsstrafe ersetzt und ein Wiederholungstatbestand bei ungerechtfertigt verweigerten Antworten auf jede bestimmte Frage geschaffen werden.

Inhaltlich resümiert der Bericht bereits Bekanntes aus dem Untersuchungsausschuss, "Urteile" im eigentlichen Sinn des Verfahrensrichters gibt es darin keine. So heißt es etwa zur ÖVP-Inseratenaffäre: "Auskunftspersonen erklärten, keine Wahrnehmungen hierzu zu haben. Auch wenn die Vermutung der Weitergabe durchaus naheliegend wäre, fand sich im Ausschuss kein konkreter Hinweis, dass Weitergaben von durch Ministerien bezahlte Umfrageergebnisse an die ÖVP erfolgt wären."

Auch zum Justizstreit lautet die Schlussfolgerung ähnlich: "Eine systematische, politisch motivierte Einflussnahme auf Ermittlungsverfahren durch mit der ÖVP verbundene Personen und eine sich daraus ergebende politische Verantwortlichkeit waren daher im Ergebnis nicht feststellbar." Keine Hinweise gebe es auch zum Vorwurf, das Finanzministerium könnte seinerzeit Aktenlieferungen an den Ibiza-Untersuchungsausschuss zum Schutz des damaligen Ressortchefs Gernot Blümel (ÖVP) absichtlich verzögert haben.

Bericht über weite Strecken protokollarisch verfasst

Wie üblich ist der Bericht über weite Strecken protokollarisch verfasst. Teilweise werden auch Fäden aus dem Ibiza-Untersuchungsausschuss aufgegriffen und der damalige Erkenntnisgewinn dem aktuellen gegenübergestellt. Bisweilen wird mangels neuer Erkenntnisse auch auf den Ibiza-Abschlussbericht verwiesen, wie etwa bei der sogenannten "Abschleicherliste", also jener Liste des Finanzministeriums über österreichische Steuerpflichtige, die noch schnell ihr Geld nach Österreich transferiert haben sollen, bevor Steuerabkommen mit Liechtenstein und der Schweiz in Kraft traten.

Anders als im Steuerverfahren von Immobilieninvestor Rene Benko - bei dem Pöschl zwar Auffälligkeiten konstatiert, aber festhält, dass die Ergebnisse es nicht gestatten, "annähernd gesicherte Aussagen über allfällige Hinweise auf Korruption zu treffen" - fällt die Einschätzung zur Steuercausa von Investoren Siegfried Wolf schärfer aus. Im Fall Wolf lägen "ausreichend Anhaltspunkte vor, die Korruption jedenfalls im Sinn politischer Einflussnahme und Verantwortlichkeit nahelegen".

Zu den Sidelettern der Regierungen "Kurz I und II" wird hingegen festgehalten, insbesondere was die Besetzungen von Verfassungsrichtern angeht, dass "nicht der Anschein von Korruption" vorlag, da die in den Sidelettern getroffenen Vereinbarungen die Umsetzung dieser verfassungsrechtlich vorgesehenen Kompetenzen betrafen. Was jedoch die Postenbesetzungen im Innenministerium betrifft, hält der Verfahrensrichter fest, dass die festgestellten Chat-Verläufe "unter besonderer Berücksichtigung der unverblümten Wortwahl" ein "hinreichend beredtes Zeugnis von einem politischen Zugang zu Postenbesetzungen" geben. "Auch wenn die inneren Abläufe der Postenbesetzungen nach den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses nicht immer genau nachvollzogen werden können, scheint es - wohl durch persönliche und politische Nähe zumindest - eine faktische Einflussmöglichkeit auf Begutachtungskommissionen und Besetzungsvorschläge gegeben zu haben."

Kritik am Kurs der Regierung "klein gehalten"

Einen "fragwürdigen Nachgeschmack" hätten zudem die Gespräche zwischen dem ehemaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, und dem Generalsekretär der Bischofskonferenz, Peter Schipka, bezüglich der Streichung steuerrechtlicher Privilegien der Kirche hinterlassen. Zwar blieb ungeklärt, in welcher Stimmung das Treffen tatsächlich stattgefunden habe, aber die Chats zwischen Schmid und Ex-Kanzler Sebastian Kurz deuteten darauf hin, dass mittels zumindest angedachter oder angedeuteter Konsequenzen die Kritik am Kurs der Regierung "klein gehalten oder allenfalls zum Verstummen gebracht werden sollte".

Zu den ebenfalls gegenständlichen Förderungen aus dem NPO-Unterstützungsfonds - also der Fördereinrichtung für Non-Profit-Organisationen - wird darauf verwiesen, dass Auszahlungen etwa an Vereine des ÖVP-Seniorenbundes vom Ausschuss nicht als Korruption zu klassifizieren seien. "Bei Beurteilung der getätigten Förderungen stehen in erster Linie Rechtsfragen im Vordergrund", heißt es. Eine politische Einflussnahme, zum Beispiel dass Antragsteller bevorzugt worden seien, habe man nicht feststellen können. Hier hätten sich "keinerlei Hinweise" ergeben. "Zugleich kann den ÖVP-nahen Förderempfängern die Antragstellung nicht zum Vorwurf gemacht werden, da diese offensichtlich im guten Glauben, antragsberechtigt zu sein, vorgingen." Es handle sich um eine nicht hinreichend geklärte Rechtsfrage, die die positive Erledigung eines solchen Förderantrags nicht von vornherein aussichtslos erscheinen habe lassen, so die Einschätzung.

Die Fraktionen haben nun 14 Tage Zeit ihre eigenen Berichte anzuhängen. Dann wird der Abschlussbericht dem Nationalrat übermittelt.

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