Die beiden „Neueinsteiger“ könnten am 15. Oktober über zehn Prozent erreichen.
Einmal hat sie es schon getan: Im Frühjahr 2016 räumte Irmgard Griss bei der ersten Runde der Hofburgwahl liberale ÖVP-Wähler mit 18,9 % ab. Am Samstag wurde Griss beim Neos-Parteitag bejubelt. Die Ex-Richterin kandidiert als Nr. 2 auf der Bundesliste und als Spitzenkandidatin in der Steiermark. Und Griss scheint zu hoffen, dass es noch einmal funktioniert. Im ÖSTERREICH-Interview geht sie bei den Themen „Ehe für alle“ und Flüchtlinge auf Konfrontation zu Kurz.
Grüne Revolution. Die Ex-Richterin und der von seiner Partei, den Grünen, rausgeekelte Peter Pilz mischen den Wahlkampf auf. Beide haben gute Chancen, ins Parlament einzuziehen. Nach Bundeskanzler Christian Kern, ÖVP-Chef Sebastian Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache gibt es mit den beiden jetzt fünf attraktive Kandidaten. Experten geben Pilz und Griss die Chance auf 10 bis 15 %. In der ersten ÖSTERREICH-Umfrage liegt Pilz auf Anhieb bei 5 %, aber für 35 % ist er „prinzipiell wählbar“. Griss wildert vor allem bei Kurz-Wählern, Pilz bei der SPÖ, seiner Ex-Partei und den Neos.
Griss: "Man kann das Mittelmeer nicht zusperren"
ÖSTERREICH: Sie treten gemeinsam mit den Neos an. Was hat den Ausschlag gegeben?
Irmgard Griss: Ich trete mit den Neos an, weil sich sehr viele unserer Anliegen decken. Wir stehen für eine verantwortungsvolle Politik. Probleme müssen angesprochen werden, aber man muss Lösungen präsentieren, statt Ängste zu schüren.
ÖSTERREICH: Sie wollen Ängste nehmen. Auch in der emotionalen Asyl- und Zuwanderungsdebatte?
Griss: Es muss doch unser Interesse sein, dass die Menschen gut in unserem Land zusammenleben. Wer zu uns kommt und bleiben darf, muss unsere Werte und Gesetze annehmen. Aber es ist auch wichtig, dass sich die Menschen angenommen fühlen. Man soll ihnen nicht ständig zu spüren geben, dass sie hier nicht erwünscht sind, sonst macht man Integration noch schwerer.
ÖSTERREICH: VP-Chef Sebastian Kurz will eine „Sperre der Mittelmeerroute“. Was halten Sie davon?
Griss: Man kann das Mittelmeer nicht zusperren wie eine Haustür. Natürlich muss man den Zustrom reduzieren. Die Debatte spricht das richtige Problem an, aber sie suggeriert eine einfache Lösung, die es nicht gibt. Zuerst muss man in Libyen Verhältnisse schaffen, die es überhaupt ermöglichen, Menschen dorthin zurückzubringen. Solange sie in Gefahr sind, getötet zu werden, wird das nicht gehen.
ÖSTERREICH: SPÖ-Minister Doskozil hatte öffentlich über Grenzkontrollen und Pandur-Panzer zur Sperre von Straßen nachgedacht. Ihre Meinung dazu?
Griss: Einer der großen Vorteile der EU ist, dass die Grenze zwischen Nord- und Südtirol gefallen ist. Ich halte diese Diskussion – erfreulicherweise wurde das dann ja wieder abgeschwächt – für völlig verfehlt. Und Panzer halte ich für völlig untragbar. Und zu sagen, wir machen das, auch wenn es gegen europäisches Recht verstößt, ist unannehmbar. Ich dachte, wir sind ein Rechtsstaat!
ÖSTERREICH: Sind Sie für die Ehe für alle?
Griss: Ja. Eingetragene Partnerschaft und Ehe unterscheiden sich eigentlich nur in der Bezeichnung. Die Weigerung, die Partnerschaft zwischen Gleichgeschlechtlichen Ehe zu nennen, ist eine unnötige Kränkung. Wir müssen uns doch wünschen, dass Menschen füreinander Verantwortung übernehmen. Das gilt für Heterosexuelle wie für Homosexuelle.
ÖSTERREICH: Derzeit scheinen Parteien ins Out zu geraten. Alle wollen nur noch mit Listen antreten. Sind die Neos Partei oder Bewegung?
Griss: Die Neos sind eine Partei, und als Allianz treten wir mit einer gemeinsamen Liste an. Für eine Demokratie sind Parteien notwendig. Denn Menschen müssen sich zusammenschließen, um gemeinsame Ziele zu verfolgen. Wichtig ist, dass verkrustete Strukturen aufgebrochen werden und die Parteien nicht mehr alles bestimmen können.
Pilz: »Natürlich hat mich die Abwahl getroffen«
OE24.TV: Sie haben Ihren Entschluss, in Pension zu gehen, revidiert und treten jetzt mit einer eigenen Liste bei der Nationalratswahl an.
Peter PILZ: Das weiß ich noch nicht. Wir müssen einmal schauen, wer da alles mitmacht, wie groß die Unterstützung ist – und ob wir es überhaupt schaffen. Das heißt, eine Entscheidung, ob wir antreten, gibt es in ein paar Wochen, weil ich jetzt noch Eurofighter-Untersuchungsausschuss habe. Das mache ich als Grüner.
OE24.TV: Die Abwahl am grünen Bundeskongress hat Sie sehr getroffen?
PILZ: Das war eine große Überraschung, weil ich mir nicht vorstellen konnte, am Höhepunkt des Eurofighter-U-Ausschusses mit meiner Mitstreiterin Gabi Moser abgewählt zu werden. Das hat mich auch getroffen.
OE24.TV: Wer kommt auf Ihre Liste? Sollen das Mitstreiter von den Grünen sein?
PILZ: Es wird keine Neuauflage der grünen Partei. Einige derjenigen, die nach erfolgreicher Arbeit im Parlament bei uns einfach weggeschoben worden sind – die Gabi Moser, der Wolfgang Zinggl, Bruno Rossmann und Karl Öllinger –, das sind wunderbare Menschen. Ob sie am Ende dabei sind, werden sie entscheiden. Wir brauchen diese spannende Kombination aus höchster Sachkompetenz, großem Engagement und auch politischem Talent.