Dem US-Geheimdienstakt zufolge war der verstorbene Publizist zwar kein Agent, aber ein Kollaborateur.
Über den verstorbenen langjährigen Chefredakteur und Herausgeber der Tageszeitung "Die Presse", Otto Schulmeister (1916-2001), existiert laut neuem "profil" ein Dossier des US-Geheimdienstes CIA. Demnach habe Schulmeister, dessen journalistische Karriere im Zweiten Weltkrieg bei der deutschen NS-Wirtschaftszeitung "Südost-Echo" begonnen hatte, in den 1960er-Jahren "der CIA zugearbeitet, seine Leitartikel fallweise argumentativ nach den Wünschen der CIA ausgerichtet, Geschichten unterdrückt, wenn sie dem US-Standpunkt schadeten und Informationen aus Hintergrundgesprächen mit österreichischen Politikern und Ostblock-Botschaftern preisgegeben".
Deckname "GRCAMERA"
Das Dossier sei nach den
Bestimmungen des "Nazi War Crimes Disclosure Act" 2006 freigegeben worden.
Am 19. Juni 1962 sei Otto Schulmeister von der CIA der Deckname "GRCAMERA"
zugewiesen worden. "Von da an gingen bei Bedarf CIA-Anweisungen, wie diese
oder jene politische Situation einzuschätzen sei, direkt an Schulmeister. Am
3. April 1964 schätzte die CIA den Stand der Zusammenarbeit ein: Die
inhaltliche Ausrichtung der 'Presse' lasse "kaum zu wünschen übrig" (...)
Nur die USA-Korrespondentin der "Presse" verursache "kleinere Irritationen"
(...), das bedeutet nicht, dass Schulmeister unser Agent ist (...), doch wir
können ihn führen, gerade so, als wäre er unser Agent", zitiert das Magazin
aus dem Geheimdienstakt. Die Zeitung hatte insbesondere das militärische
Engagement der USA in Vietnam unterstützt.
Kein Agent, aber Kollaborateur
1968 habe die CIA Schulmeister als
"Kollaborateur" eingestuft. "Von unserer offiziellen Beziehung wissen auch
einige seiner Kollegen (...) Sie wissen nicht, dass sich dahinter ein
operativer Kontakt verbirgt". In den Schulmeister-Akten sind auch
CIA-Kontakte zum Österreichischen Rundfunk, zum "Kurier", den "Salzburger
Nachrichten" und der "Wochenpresse" angeführt. Die Namen der Journalisten
seien unkenntlich gemacht.
Unentgeltlicher Dienst
Otto Schulmeister, nach seinem Tod vom
damaligen Bundespräsidenten Thomas Klestil als "großer Patriot" und
"publizistisches Gewissen einer ganzen Generation" gewürdigt, sei für seine
Dienste nicht bezahlt worden. Die CIA habe 150 Dollar pro Jahr für
"Einladungen und Geschenke" projektiert. In den 1970er-Jahren habe sich
Schulmeister von der CIA zurückgezogen: "Die Entspannungspolitik zwischen
Ost und West wollte er nicht mehr mittragen". Von 1976 bis 1989 fungierte er
als Herausgeber der "Presse".
Schulmeisters unmittelbarer Nachfolger, der pensionierte "Presse"-Chefredakteur Thomas Chorherr, der "Anfang der siebziger Jahre ins Visier der CIA geraten war und ebenfalls in die Akten Eingang gefunden hat", sagte dazu: "Ich kann nicht glauben, dass Schulmeister mit der CIA Kontakt gehalten hat". Der 85-jährige Verleger Fritz Molden, früherer "Presse"-Eigentümer, dessen Vater Ernst Molden Schulmeister einst engagiert hatte, sagte seinerseits: "Wenn Schulmeister das getan hat, dann war er ein anderer, als ich dachte". Fritz Molden war ein Schwiegersohn des ehemaligen CIA-Direktors Allen Dulles.