Vizekanzler Andreas Babler kündigte im oe24.TV-Sommergespräch an, sowohl bei den Lebensmitteln als auch bei den Energiepreisen eingreifen zu wollen.
Ein Pensionsantrittsalter von 70 hält er für "realitätsfremd", die Teilzeit-Debatte sei "respektlos" und bei den Lebensmittel- und Energiepreisen müsse man eingreifen. SPÖ-Chef und Vizekanzler Andreas Babler sparte im oe24.TV-Sommergespräch nicht mit klaren Ansagen. Die besten Passagen aus dem Interview mit Niki Fellner:
oe24.TV: Herr Vizekanzler, die Zeugnisverteilung ist zwar schon ein bisschen her, aber dennoch: Welche Note würden Sie dieser neuen Bundesregierung für die ersten paar Monate geben?
Andreas Babler: Selbsteinschätzungen sind immer sehr gefährlich. Was man sagen kann, ist, dass die Arbeitsintensität und der Arbeitseifer sehr gut sind und wirklich eine Vielzahl von Maßnahmen auf den Tisch gelegt worden sind. Das heißt, die Mitarbeit ist hervorragend und wie wir wissen, ist die Mitarbeit ein sehr großer Faktor bei den Schulnoten.
oe24.TV: Was hätte besser laufen können?
Babler: Wir haben große Aufgabenstellungen und die sind gewalitg und das kann ich aus der SPÖ-Sicht sagen: Wir haben es nicht zu verantworten, wir haben diesess Land in einer wahnsinnig schwierigen Situation übernommen.
oe24.TV: Die SPÖ kommt ja in den Umfragen nicht vom Fleck, liegt bei rund 20 Prozent auf Platz 3. Schadet Ihnen das Regieren?
Babler: Regierungsarbeit ist ja kein Beliebtheitsbewerb. Es ist nicht sehr populär, Maßnahmen zu treffen, die in einer sehr schwierigen Situation - Stichwort Sparen und Konsolidierungsbedarf im Budget - leider notwendig sind.
oe24.TV: Sie haben jetzt das Budget angesprochen: Einige kritisieren hier, dass etwa Banken und Energiekonzerne vergleichsweise wenig zu dieser Konsolidierung beitragen.
Babler: Wenn es eine SPÖ-Alleinregierung geben würde, dann hätte die SPÖ ganz gute Vorschläge. Nämlich, dass es beispielsweise eine Millionärssteuer geben würde, wo die wirklich Superreichen einen fairen Beitrag leisten könnten. Wir haben es geschafft, dass die Großen viele Beiträge leisten. Ich erinnere an die Berichterstattung als das Regierungsprogramm fertig war, wo es geheißen hat, die SPÖ hat sich so stark durchgesetzt, weil die Banken jetzt insgesamt zwei Milliarden zahlen müssen. Aber es ist eine Kompromissregierung, keine Alleinregierung der SPÖ.
oe24.TV: NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger hat vor einer Woche hier im Sommergespräch gesagt, dass man mittelfristig an einer Erhöhung des Pensionsantrittsalters nicht vorbeikommt. Ist das unausweichlich?
Babler: Was ist wichtig? Dass Menschen länger im Erwerbsleben bleiben können, das ist, glaube ich, für jeden nachvollziehbar. Was ist der Sozialdemokratie wichtig? Dass die Menschen überhaupt fähig sind, gesund länger arbeiten zu können. Das heißt: Gesunde Arbeitsplätze zu haben, über die Arbeitsintensität nachzudenken, über die Arbeitsbedingungen nachzudenken. Gleichzeitig muss man auch schauen, dass auch ältere Beschäftigte in den Unternehmen angestellt werden.
oe24.TV: Aus der Wirtschaft gab es ja Stimmen, dass das Pensionsantrittsalter auf 70 erhöht werden müsste, um das System langfristig zu erhalten. Braucht es nicht teilweise so radikale Ansätze?
Babler: Sie haben es gesagt: Es sind radikale Ansätze, aber sie sind sehr realitätsfremd. Jede dritte Frau geht nicht bis zu ihrem Regelpensionsalter gesund arbeiten, jeder vierte Mann geht nicht aus dem Erwerbsleben in die Pension.
oe24.TV: Es gibt auch Kritik, dass im Budget Offensivmaßnahmen fehlen. Verstehen Sie da die Kritiker?
Babler: Ja, es ist halt Kritik an den letzten zwei Bundesregierungen, an Schwarz-Blau und Schwarz-Grün, dass jetzt kein Geld da ist.
oe24.TV: Ihr Koalitionspartner, die VP, war ja in den Vorgängerregierungen. Haben Sie das Gefühl, die ÖVP hat die Bevölkerung vor der Wahl beim Budget bewusst angelogen?
Babler: Ich mag da keine Vergangenheitsbewältigung machen. Ich habe den Blick nach vorne gerichtet.
oe24.TV: Man hört teilweise schon, dass das Budget nicht halten wird und der Finanzminister im Herbst nachschärfen muss.
Babler: Wir evaluieren ständig das Budget. Wenn es Nachschärfungen braucht, wird es Nachschärfungen geben müssen. So einfach ist es.
oe24.TV: Muss man in diesem Zusammenhang auch nochmal über Erbschafts- und Vermögenssteuern diskutieren?
Babler: Wenn die SPÖ eine Alleinregierung hätte, hätten wir ein anderes Steuersystem. In diesem Regierungsprogramm ist es nicht vereinbart, es ist wie gesagt keine Alleinregierung der SPÖ.
oe24.TV: Kommen wir zur Teuerung: Österreich liegt hier deutlich über dem EU-Raum. Was ist da schiefgelaufen?
Babler: Das ist ein Problem, das wir sozusagen geerbt haben, dass sehr wenige treffsichere Maßnahmen getroffen wurden. Es ist eines der wichtigsten Dinge, Maßnahmen gegen die Teuerung zu setzen. Und nach 30 Tagen in der Regierung haben wir für 2,7 Millionen Menschen beispielsweise, was Mieten anbelangt, Verbesserungen erzielt. Weil mit dem 1. April dieses Jahres wären die Mieten ein weiteres Mal um 3,7 Prozent gestiegen. Ich stehe für eine Politik, die eingreift.
oe24.TV: Der Mietpreisstopp führt allerdings nicht dazu, dass Wohnen billiger wird, sondern nur vorerst, dass es nicht teurer wird.
Babler: Wohnen ist immer teurer geworden, deswegen war es notwendig, jetzt einen sehr historischen und einen sehr wirksamen Schritt zu machen. Wenn uns das noch gelingt, in den Energiepreisen und im Lebensmittelbereich noch einzugreifen, dann ist die Teuerung im Griff.
oe24.TV: Man muss auch bei den Energiepreisen eingreifen? Eine Art Energiepreis-Deckel?
Babler: Wir arbeiten jetzt gerade die Modelle aus und ich würde gerne darüber sprechen, wenn sie am Tisch liegen. Wir wissen aber, dass Energie ein Preistreiber ist, der für Menschen ein Problem ist.
oe24.TV: Es gab ja eine Strompreisbremse. Wieso hat man die nicht einfach verlängert?
Babler: Es war kein gutes Modell, wenn man sich die Bilanz dieser Maßnahme ansieht. Es war eine sehr hohe Inflation, eine der höchsten in Westeuropa und das über einen langen Zeitraum, also war es nicht das beste System.
oe24.TV: Lebensmittelpreise haben Sie auch angesprochen. Wird da eingegriffen?
Babler: Die Lebensmittelpreise müssen in den Griff kommen und ich bin da undogmatisch in den Fragen. Ich habe den Finanzminister gebeten, sich verschiedene Modelle zu überlegen. Wichtig ist für uns, dass eine Regierung nicht zusieht, wenn die Lebensmittelpreise in die Höhe gehen, weil das ist für uns unangenehm mit unserem Gehalt, aber für viele Menschen ist es existenzbedrohend und das müssen wir auf dem Schirm haben.
oe24.TV: Es gibt ja eine Herbstklausur der Regierung. Werden die Preiseingriffe da schon präsentiert?
Babler: Jeden Tag früher ist gut, das ist meine Ansage.
oe24.TV: Beim Wohnen gilt der Mietpreisstopp ja für Kategorie- und Richtwertmieten, nicht für den privaten Neubau. Wann wird das geändert?
Babler: So schnell wie möglich und wir haben ja angekündigt, dass wir im herbst bereits eine Vorlage haben. Es ist sehr komplex, das vorzubereiten, aber es ist im Regierungsprogramm vereinbart.
oe24.TV: Kommen wir noch zur Wirtschaft: Österreich ist beim Wirtschaftswachstum im EU-Vergleich Schlusslicht. Ist das nicht peinlich?
Babler: Ja, der Grund, warum es notwendig war, dass die SPÖ endlich in die Regierung kommt, um das zu korrigieren. Wir haben da ein sehr ambitioniertes Programm und ich glaube, dass wir in der Regierung sehr bald ein Licht am Horizont sehen werden.
oe24.TV: Sie gelten ja bei vielen Managern und Unternehmen zum Teil ein bisschen als "Wirtschaftsschreck". Haben Sie sich mit der Wirtschaft mittlerweile ausgesprochen?
Babler: Wenn man nüchtern die Bilanzen der letzten Regierungen anschaut, wären andere die Wirtschaftsschrecks. Ich mache alles mit einer seriösen Politik, mit einem guten Team, mit einer guten Regierungsarbeit, um die Wirtschaft in die Höhe zu bringen.
oe24.TV: Der Wirtschaftsminister hat ja eine Debatte über die - wie er sagt - "Lifestyle-Teilzeit" entfacht. Haben wir ein Problem mit der "Lifesstyle-Teilzeit"?
Babler: Es sind überwiegend Frauen, die Teilzeit arbeiten. Das sind Frauen, die auch in der Hausarbeit, in der Kindererziehungsarbeit - die auch von den Schulen abholen, wenn es keine flächendeckenden Nachmittagsangebote gibt -, die sich darum kümmern, dass eingekauft wird, die gar nicht mehr arbeiten können. Also, ich finde es sehr respektlos gegenüber diesen Frauen in diesem Land. Zeitgleich haben wir Beschäftigte, die beispielsweise in der Pflege sind, die es einfach mit einem gewissen Alter nicht mehr schaffen, 40 Stunden zu arbeiten.
oe24.TV: Heuer jährt sich ja zum zehnten Mal die Flüchtlingskrise 2015. War das "Wir schaffen das" von der damaligen deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel ein Fehler?
Babler: 2015 war ich Bürgermeister in Traiskirchen, meiner Heimatstadt. Und da würde ich den Satz nämlich genau umdrehen. Ich habe das Gefühl gehabt, dass das damals nicht geschafft worden ist. Und das war der Grund, warum wir in Traiskirchen auch unideologisch über alle Parteigrenzen hinweg geholfen haben.
oe24.TV: Der SPÖ wird ja immer vorgeworfen, bei der Migrationspolitik keine klare Linie zu haben. Ärgert Sie das, dass Ihnen dieses Image noch immer nachhängt?
Babler: Dieses Image ist wirklich ein Image. Wenn man die Vorschläge anschaut, über gerechte Aufteilung, über Maßnahmen in den Herkunftsländern, so dass es gar nicht zu Fluchtbewegungen kommt, bis hin zur Frage, wie man mit Menschen umgeht, die hier in Österreich sind. Wenn man diese drei Aspekte nimmt, hat die SPÖ wahrscheinlich die detailliertesten Problemlösungsstrategien in diesem Land.
oe24.TV: Sie sind aber nach wie vor nicht für eine Flüchtlings-Obergrenze?
Babler: Sie können gerne eine Obergrenze vorschreiben. Sie wird halt dann, wenn Orbán durchwinkt, nicht wirken können.
oe24.TV: Was bei Migration bei vielen für Unverständnis sorgt, sind die Sozialleistungen. Etwa wenn Flüchtlingsfamilien zum Teil 9.000 Euro netto im Monat bekommen.
Babler: Sicher ist es unverständlich. Ich finde es auch nicht nachvollziehbar. Aber was machen wir? Wir machen, dass möglichst wenig Menschen in der Mindestsicherung sind. Deswegen die Maßnahmen im Integrationsjahr, wo wir schauen, dass die Menschen in Beschäftigung kommen, dass sie Deutsch haben, dass wir die Mindestsicherung an den Arbeitsmarkt, an das AMS koppeln.
oe24.TV: Sprechen wir noch über Außenpolitik. Es gab jetzt Treffen zwischen Trump und Putin sowie Trump und Selenskyj. Sehen Sie eine Chance für Frieden in der Ukraine?
Babler: Es muss immer die Chance auf Frieden geben. Russland muss die Kampfhandlungen einstellen, diesen Krieg beenden. Die Grundvoraussetzung ist, dass die Waffen einmal schweigen. Es gibt nichts Wichtigeres als Frieden.
oe24.TV: Wie sehen Sie die Rolle von Donald Trump bei den Verhandlungen?
Babler: Sehr wechselnd. Wir erleben ja manchmal mehrmals pro Woche eine Positionsänderung und ich habe große Sorge über viele Maßnahmen. Aber alles, was Richtung Frieden eine Chance eröffnet, gehört unterstützt.
oe24.TV: Es sollen auch bereits Sicherheitsgarantien für die Ukraine besprochen worden sein.
Babler: Friedenstruppen machen Sinn, wenn es eine Vereinbarung gibt. Natürlich ist bei Friedenstruppen die Zielsetzung immer, dass es unter einem gemeinsamen Mandat der Vereinten Nationen läuft. Das ist die Position Österreichs.
oe24.TV: Ganz am Schluss noch zu einem anderen Thema: Wie lange wollen Sie noch SPÖ-Chef bleiben?
Babler: Das ist die Entscheidung der Mitglieder und so demokratisch bin ich natürlich. Ich habe geschaut, dass die SPÖ sich verändert, dass es nicht mehr die kleinen Zirkel sind, die Personalentscheidungen treffen. Da haben wir einen großen Sprung vorwärts gemacht in der Demokratisierung der Partei.
oe24.TV: Ein Sager hängt Ihnen ja ein bisschen nach. Nämlich als sie sich einmal als einen Marxisten bezeichnet haben. Würden Sie sich eigentlich noch immer so bezeichnen?
Babler: Der Marxismus wird ja nicht umsonst heute noch auf vielen Universitäten gelehrt, weil er ganz gut gesellschaftliche Verhältnisse beschreibt. Das ist eine gute Brille auf die Welt, aber ich würde mich nicht als Marxist bezeichnen in diesen Fragen.