Im Gespräch mit ÖSTERREICH macht die Grüne klare Ansagen zur Klimapolitik.
Der letzte Emissions-Bericht sieht Österreich noch nicht auf Kurs für die geplante Klimaneutralität 2040. Umweltministerin Leonore Gewessler sieht den Weg dorthin als „Klimaschutz-Marathon“. Hier das Interview mit der grünen Ministerin.
ÖSTERREICH: Sie forderten zuletzt ein Frackingverbot, trotzdem wird in Österreich nach Gas gebohrt, internationales Fracking-Gas eingekauft – wie geht das für Sie zusammen?
Leonore Gewessler: Fracking in Österreich kann keinen Beitrag in der aktuellen Energiekrise leisten, weil es zu lange dauert, das sagt auch die OMV. Es leistet heute keinen Beitrag dazu russisches Gas zu ersetzen. Und in punkto Klimakrise ist es wichtig, überhaupt aus Erdgas auszusteigen. Deswegen müssen wir Erdgas überall dort ersetzen, wo wir drauf verzichten können, z.B. beim Heizen. Ich freue mich sehr, unsere Förderungen zum Heizkesseltausch sind so gefragt wie nie. Ganz viele Menschen wollen raus aus den dreckigen Heizungen und rein in erneuerbare Heizungen, Energie sparen bedeutet auch weniger Gasverbrauch. All das ist ein Beitrag dazu, dass wir künftig auch auf Frackinggase aus dem Ausland verzichten können.
ÖSTERREICH: Ohne drastischere Maßnahmen drohen bis 2030 Milliarden an EU-Strafzahlungen, wie wollen Sie die verhindern?
Gewessler: Wir haben in den letzten drei Jahren dieser Regierung eine Aufholjagd beim Klimaschutz gestartet, viele Gesetze auf den Weg gebracht. Wir sehen, dass diese unzähligen Maßnahmen erste Wirkung zeigen. Aber natürlich sind wir noch nicht fertig, wir müssen weiter so ambitioniert sein wie bisher. Es wird viele weitere Maßnahmen brauchen, wir müssen in Österreich in eine klimafreundliche Zukunft investieren, damit wir keine Strafzahlungen leisten müssen.
ÖSTERREICH: Die Klima Neutralität bis 2040 ist also ein realistisches Ziel?
Gewessler: Ja es ist ein notwendiges Ziel, aber klar ist es ambitioniert. Klimaschutz ist ein Marathon bis 2040 und wir werden jedes Jahr Maßnahmen treffen müssen, damit wir das Ziel erreichen.
ÖSTERREICH: Seit über 750 Tagen gibt es kein Klimaschutzgesetz, die ÖVP blockiert, wird das in dieser Legislaturperiode noch kommen?
Gewessler: Jedes einzelne Gesetz, ob Erneuerbares Wärme Gesetz, Plastikpfand oder CO2-Bepreisung, war ein intensives Ringen um gute Lösungen. Wir haben das dort geschafft, also ja, das Klimaschutzgesetz wird auch noch kommen. Natürlich, ginge es nach mir, hätten wir schon eines.
ÖSTERREICH: Würden Sie Tempo 100 einführen, wenn die ÖVP nicht blockieren würde?
Gewessler: Die Fakten liegen am Tisch. Langsamer fahren, das ist gut für die Verkehrssicherheit auf unseren Straßen, wir haben weniger Verkehrstote, weniger schwere Unfälle, wir haben weniger Lärm und weniger Abgase und wir haben auch weniger CO2 Emissionen. In der Realität gibt es aber keine Mehrheit für diese Maßnahme, also daher mein Appell: Fahren Sie langsamer, runter vom Gas, es zahlt sich aus.
ÖSTERREICH: Auch die Klima-Kleber fordern Tempo 100, wäre das nicht eine einfache Maßnahme, um die radikalen Proteste zu befrieden und ein Signal vorzugeben? Viele sehen schon beängstigt in die Zukunft?
Gewessler: Ich kann diese Angst nachvollziehen, wenn wir nicht massiv gegen die Klimakrise arbeiten, kann es sie sich zu einer Klima-Katastrophe auswachsen. Deswegen ist Klimaschutz so wichtig. Die Frage zu konkreten Maßnahmen – und davon braucht es viele verschiedene - in dem Fall müssen Sie auch allen anderen Parteien stellen. Dafür braucht es Mehrheiten und an Mehrheiten für den Klimaschutz arbeite ich ganz intensiv.
ÖSTERREICH: Die ÖVP will härtere Strafen für Klima-Kleber – würden Sie da mitziehen?
Gewessler: Ich glaube, es ist sinnvoll und wichtig, dass man hier den Maßstab nicht aus dem Auge verliert. Solange der Protest friedlich ist und niemand zu Schaden kommt ist es genau das: friedlicher Protest. Wenn Schaden entsteht, dann gibt es Gesetze, die sollen dann auch zur Anwendung kommen, und es sagen uns alle Experten, die reichen auch aus.
ÖSTERREICH: Unter gewissen Umständen können Länder selbst schon Tempolimits erlassen. Sollte man diese Kompetenzen ausbauen?
Gewessler: Viele Bürgermeister beschäftigt es, im Ortsgebiet an einzelnen sensiblen Stellen, etwa vor Schulen, einfacher reagieren und anpassen zu können. Da sehen wir uns aktuell an, ob es rechtlich erleichtert werden kann.
ÖSTERREICH: Bei Autobahnen und Autostraßen aber nicht?
Gewessler: Auf Autobahnen können die Länder aufgrund schlechter Luftqualität niedrigere Tempolimits verordnen, Stichwort IG-L.
ÖSTERREICH: Sie stehen ja jetzt als Umweltministerin oftmals sehr in der medialen Kritik, wie sehen Sie da ihre Vorbildrolle in Sachen Klima? Geht man mit Ihnen zu hart ins Gericht?
Gewessler: Das hat zwei Ebenen: Es geht darum, dass wir als Regierung Maßnahmen auf den Weg bringen, die es den Menschen ermöglichen klimafreundlich unterwegs zu sein. Wir müssen ein besseres Angebot auf den Weg bringen. Dann kann sich jeder Einzelne richtig entscheiden. Das ist meine Aufgabe als Politikerin und an der sollte ich gemessen werden. Dass wir es schaffen, das Verkehrssystem so zu verändern, dass sich jeder und jede von uns klimafreundlich entscheiden kann. Ich versuche das in meinem Leben auch, wo immer es möglich ist. Ich habe keinen Dienstwagen, fahre mit den Öffis ins Büro, bin Bahn-Stammkundin. Aber es gibt auch für mich Situationen, denken Sie an die Artenschutz-Konferenz in Kanada, wo ich fliegen muss.
ÖSTERREICH: Klimaticket, C02-Bepreisung, zahlreiche Förderungen und Gesetze zu Erneuerbaren-Ausbau: Viele Projekte konnten sie als Juniorpartner in der Regierung umsetzen, sind Sie mit dem, was klimatechnisch mit einer ÖVP in der Regierung möglich ist, schon an die Grenzen gelangt?
Gewessler: Nein. Wir haben uns vorgenommen, Österreich auf Kurs Richtung Klimaneutralität 2040 zu bringen. Da haben wir noch viel zu tun, das weiß die ÖVP, das wissen wir Grüne, dass es jedes Jahr diese Maßnahmen brauchen wird, damit wir das Ziel erreichen. Wir haben vorher die Strafzahlungen diskutiert, und egal wer das durchrechnet, alle werden zum gleichen Ergebnis kommen und sich einig sein: Es ist gescheiter wir investieren in den Klimaschutz als Strafen zu zahlen.