Wolfgang Schüssel hat sich am Tag nach der Nationlarats-Sondersitzung empört über den "politischen Bazar" der anderen Fraktionen gezeigt.
Es habe sich fast abgespielt wie im Kasino, "jeder hat seine Jetons eingeworfen"; addiere man man die Kosten der einzelnen Forderungen zusammen, kämen Milliardenbeiträge heraus, so ÖVP-Klubobmann Schüssel. Dass der Fristsetzungsantrag zur Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel nur dank dem Fehlen von ÖVP- und Grün-Abgeordneten im Plenarsaal eine Mehrheit bekommen hatte, ist für Schüssel zwar "unangenehm", aber "nicht entscheidend".
"Denkwürdige Sitzung - in negativem Sinn"
Einmal
mehr erregte sich der Ex-Kanzler über das gänzliche Fernbleiben der
SPÖ-Regierungsmitglieder zu Beginn der Dringlichen Anfrage an
Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (V) zum Thema Teuerung. Dies sei "denkwürdig
in sehr negativem Sinn". Dass SP-Chef Werner Faymann und Sozialminister
Erwin Buchinger (S) erst durch Beschluss der Abgeordneten herbeizitiert
werden haben müssen - und außerdem eine Reihe Abgeordneter gefehlt habe,
habe auch die Bedenken der ÖVP bestätigt, dass man "nicht in
weniger als 48 Stunden eine so wichtige Sitzung einberufen kann".
Mit der Absegnung der 26 Fristsetzungsanträge sei sichtbar geworden, dass damit eine Steuersenkung unmöglich ist - "damit ist jede Form einer seriösen wirksamen Steuerentlastung unrealistisch", so Schüssel. Die Hauptschuld dafür machte er beim scheidenden Koalitionspartner aus: Faymann habe mit "diesem Bazar die Büchse der Pandora geöffnet" und "vergiftete Wahlzuckerln"unters Volk geworfen, so Schüssel. Er finde dieses Verhalten "in hohem Maße verantwortungslos".
Gleichzeitig verwies der VP-Klubchef darauf, dass inhaltlich noch nichts beschlossen worden ist: "Die entscheidende Stunde ist dann am 24. September". (Erst dann - bei der letzten Nationalratssitzung vier Tage vor der Nationalratswahl - wird über die Inhalte der Anträge abgestimmt; gestern wurde per Fristsetzung ja lediglich deren Behandlung am 24. September ermöglicht, Anm.).
EU-Linie empört ÖVP
Empört zeigte sich Schüssel auch
über einen gemeinsamen Fristsetzungsantrag von SPÖ, FPÖ und BZÖ betreffend
einer Änderung der Bundesverfassung. Laut Schüssel würde dieser Antrag
vorsehen, dass wesentliche EU-Verträge zwingend einer Volksabstimmung
unterzogen werden müssen. Dies würde aber etwa auch jeden Beitritt eines
neuen Landes betreffen, so der Klubobmann. Dies sei "in einem
unglaublichen Ausmaß verantwortungslos". Dass sich die SPÖ dafür
hergegeben habe, fasse man nicht.
Schüssel sprach von einer "rot-blauen Regie, da das sehr präzise durchgezogen hat". "Das werden noch sehr bittere Momente werden, wenn das Wirklichkeit werden sollte, da kann sich Österreich warm anziehen", so Schüssel.
Zu den getrennten Anträgen von ÖVP und SPÖ zur Hacklerregelung sagte Schüssel, ursprünglich hätte seine Fraktion vorgehabt, bei der SPÖ mitzugehen, sofern diese das auch beim VP-Antrag getan hätte. Die SPÖ habe dies aber abgelehnt. Daher habe man sich andere Mehrheiten gesucht.
FPÖ kritisiert Schüssel
Die FPÖ hat am Samstag das
Demokratieverständnis der ÖVP getadelt. Es sei "sehr bezeichnend", wenn
VP-Klubobmann Schüssel die Nationalratssitzung vom Freitag als "politischen
Basar" bezeichnet, meinte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Offenbar habe
die ÖVP "Probleme mit dem Parlamentarismus" und ertrage es nicht, wenn
Abstimmungen anders als von ihr gewünscht ausgehen.