Erstmals spricht Nationalratspräsidentin Barbara Prammer über ihre Krebserkrankung.
Die Arbeit sei für sie „Teil der Therapie“, so Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (59) im Interview mit ÖSTERREICH (das gesamte Interview lesen Sie in ÖSTERREICH am Sonntag). Fakt ist: Wenn sie von ihrem Job spricht, leuchten die Augen der zweithöchsten Würdenträgerin der Republik. Seit acht Jahren ist sie Nationalratspräsidentin. Niemand, der sie bei ihrer Arbeit im Parlament sieht, könnte ahnen, dass Prammer gerade die schwerste Zeit in ihrem Leben durchmacht. Vor knapp zwei Monaten war sie vor die Öffentlichkeit getreten und bekannte: „Ja, ich habe Krebs.“ Nachsatz: „Ich werde kämpfen.“
Kein Verständnis für
Monika Lindner
Protest-Mails. Vergangene Woche hat das neue Parlament seine Arbeit aufgenommen, Prammer wurde als Präsidentin wiedergewählt und sieht sich in ihrer Position als moralische Instanz, die darauf achtet, dass die Parlamentarier sich in ihrer Arbeit selbst ernst nehmen. Kein Verständnis hat Prammer dafür, dass Monika Lindner ihr Mandat angenommen hat: „Ich hätte das nicht getan. Wenn ich einer Partei den Rücken kehre, dann würde ich einen Schlussstrich ziehen. Fehlende Charakterstärke ist in dem Zusammenhang ein hartes Wort, jedenfalls ist Lindners Vorgehensweise entbehrlich.“ Sie bekomme Dutzende Briefe und E-Mails, in denen man sie auffordere, Lindner „loszuwerden.“ Prammer: „Rechtlich geht das nicht, aber man sieht, dass es auch in der Bevölkerung für das Vorgehen von Monika Lindner wenig Verständnis gibt.“
Bröckelndes Parlament
„Wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass alle Fraktionen die Entscheidungsunterlagen zur Generalsanierung bekommen“, so Prammer. Nicht schon wie kolportiert morgen, Freitag, sondern erst Anfang nächsten Jahres soll es eine Präsidiale zur weiteren Vorgehensweise geben. Die 500 Millionen Euro, die die Sanierung laut Machbarkeitsstudie kosten soll, seien „eine Schätzung mit großem Puffer. Das Haus ist eben riesig, genauso tief wie hoch. Seit dem Krieg hat es keine große Reparatur mehr gegeben. Jetzt ist das eben nötig“, so Prammer.
Prammer: "Chemotherapie vertrage ich gut"
ÖSTERREICH: Was ist in Ihnen vorgegangen, als die Ärzte Sie mit der Diagnose Krebs konfrontiert haben?
Barbara Prammer: Es ist ein Schock, aber einer, der erst ganz langsam kommt. Es war damals alles wie ein Film, der neben einem abläuft und von dem man denkt, dass es nicht der eigene ist. Wie man sich da fühlt, können sicher nur Menschen verstehen, die selbst erkrankt sind.
ÖSTERREICH: Sie müssen sich einer Chemotherapie unterziehen. Wie ist es möglich, gleichzeitig zu arbeiten?
Prammer: Die Ärzte haben mir gesagt, dass die Arbeit in meinem Leben ein wichtiger Strang, ja sogar Teil meiner Therapie ist. Ich habe das Glück, dass ich die Chemotherapie gut vertrage. Aber natürlich gibt es Nebenwirkungen, mit denen ich zurande kommen muss. Ich leide beispielsweise unter großer Kälteempfindlichkeit.
ÖSTERREICH: Wie sehr müssen Sie dadurch Ihren Alltag ändern – gerade jetzt, wenn es draußen kalt wird?
Prammer: Veranstaltungen im Freien sind für mich derzeit tabu und hier in meinem Büro ist immer gut geheizt. Aber es sind auch Kleinigkeiten: Ich kann beispielsweise nur mit Handschuhen in den Kühlschrank greifen...
Iris Brüggler