Die Steuerreform ist beschlossen. ÖSTERREICH hat den Check der Experten.
Wien. 8,3 Milliarden Euro beträgt das Volumen der Steuerreform, die der Ministerrat am Mittwoch beschlossen hat. „Wir senken die Steuer- und Abgabenlast, und das ohne neue Schulden“, jubelte ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz. Die unterste Tarifstufe wird 2021 von 25 auf 20 % gesenkt, die zweite und dritte im Jahr 2022. Wie viel Sie profitieren, entnehmen Sie der Tabelle rechts.
Im ÖSTERREICH-Check der Steuer- und Polit-Experten gibt es viel Lob für die Entlastung der kleinen Einkommen – auch via Senkung der Sozialversicherung – und Kritik, weil die Abschaffung der kalten Progression nicht angegangen wird.
Vorwurf sozialer Kälte will Regierung vermeiden
- Fritz Plasser, Politologe: „Bemerkenswert ist, dass die Reform darauf angelegt ist, vor allem die unteren Einkommen zu entlasten. Das macht die ÖVP-FPÖ-Regierung mehr als frühere sozialdemokratische. Die strategische Absicht ist, sich nicht dem Vorwurf der sozialen Kälte auszusetzen. Das ist vor allem für die FPÖ wichtig, um eine Rückwanderung ihrer Wähler zur SPÖ zu verhindern. Im Detail ist die Reform weniger beeindruckend. Vor allem dass die kalte Progression vertagt auf die nächste Periode wurde und zwischen 2018 und 2022 7,5 Milliarden ausmacht, also mehr oder weniger das Volumen.“
- Thomas Hofer, Politik-Experte: „Diese Steuerreform trägt ganz klar die Handschrift von Sebastian Kurz. Man will nicht ins Eck der sozialen Kälte gerückt werden, kleinere Unternehmen bekommen aber auch etwas. Das passiert zwar erst später, wirklich aufregen können sie sich aber auch nicht. Diese Reform ist unglaublich austariert und bietet der Opposition nicht wahnsinnig viel Angriffsfläche.“
Ökologisierung des Steuersystems sollte stärker sein
- Margit Schratzenstaller, Wifo-Steuerexpertin: „Es ist tatsächlich eine umfangreiche Entlastung. Die stufenweise Absenkung der Steuersätze ist sinnvoll, die budgetären Spielräume werden damit berücksichtigt. Es werden auch einige strukturelle Akzente gesetzt. Ein grundlegender Umbau des Abgabensystems erfolgt aber noch nicht. Grund- und Immobilienvermögen sollten stärker besteuert werden. Und das Steuersystem gehört deutlicher ökologisiert: Hier liegt der Fokus jetzt auf Anreizen, um umweltfreundliches Verhalten zu fördern. Nicht angegangen wurden ökologisch schädliche Dinge wie die privilegierte Besteuerung des Diesels.“
Steuersenkung bedeutet noch keine Steuerreform
- Stephan Schulmeister, Wirtschaftsforscher: „Es handelt sich um eine Steuersenkung, keine -reform. Wenn man die Senkung für das Wichtigste hält, ist das jetzt im Rahmen des Erwartbaren. Aber für die großen Probleme der Wirtschaft, etwa den Klimawandel, wurden keine Signale gesetzt. Eine Steuersenkung schränkt den Handlungsspielraum des Staates ein bei großen Aufgaben wie Armutsbekämpfung, Umweltschutz.“
Tabak & Sekt: Welche Steuern sich noch ändern
Rauchen wird 2020 teurer: Die Regierung erhöht die Tabaksteuer im kommenden Jahr wieder. Durch diese Wertanpassung rechnet sie mit Einnahmen von 40 Mio. Euro pro Jahr.
Aus für die Bagatellsteuer: Die 2004 bereits abgeschaffte und 2015 wieder eingeführte Schaumweinsteuer gehört wieder der Vergangenheit an. Ab 2022 winkt eine Entlastung von 23 Millionen Euro. Den Sektherstellern ist das zu spät.
Höhere Steuer bei mehr CO2-Ausstoß: Bei Neuzulassungen werden Fahrzeuge mit hohem Schadstoffausstoß höher besteuert. Auch die NoVA wird ökologisiert.
400.000 Steuererklärungen weniger: Die Regierung will das Einkommensteuergesetz neu schreiben und stark vereinfachen. Die Zahl der Steuererklärungen sinkt um 460.000.
Ministerien fürchten harten Sparkurs
Die Budget-Verhandlungen sollen 1 Mrd. an Gegenfinanzierung der Steuerreform bringen. Als erster brachte sich ÖVP-Minister Heinz Faßmann in Stellung: „Ich kann hier und jetzt sagen, dass bei der Bildung nicht gespart wird. Das habe ich mit der Regierungsspitze von Anfang an so vereinbart“, sagt er zu ÖSTERREICH. Auch im Heer fürchtet man sich vor dem Rotstift.
Kärntens SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser fürchtet um Einnahmen. Bis zu zwei Milliarden Euro weniger könnten die Länder bekommen, sagt er Ö1.
(knd)