"Treffsicherer" oder "unfairer"?

Streit um die Mindestsicherung

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Regierung präsentierte am Mittwoch die neue Mindestsicherung.

Wien. Am Mittwoch rückten Sebastian Kurz und HC Strache aus, um ihr neues Sozialhilfepaket nach der Ministerratssitzung zu verteidigen. Der Kanzler unterstrich, die Hälfte der Bezieher seien Ausländer. Auch verteidigte er die massiven Kürzungen bei Mehrkindfamilien.

Wie ÖSTERREICH berichtete, erhält eine Familie mit vier Kindern künftig statt 2.227 Euro im Monat nur noch 1.640 Euro. Kurz: „Wenn man die Familienbeihilfe dazuzählt, ist man bisher in Richtung von 3.000 Euro gekommen – das haben Menschen, die arbeiten gehen, vielfach nicht.“ VP-Klubchef August Wöginger: „Wer arbeiten geht, darf nicht der Dumme sein.“

Strache betonte: „Wir haben von der SPÖ ein ungerechtes Modell übernommen, das nun treffsicherer, fairer und gerechter wird.“

Während die ÖVP-regierten Länder die Einigung positiv sehen, proben die SPÖ-Länder Wien, Kärnten und das Burgenland den Aufstand. Man habe mit den Ländern noch nicht geredet, polterte Wiens Bürgermeister Michael Ludwig. Und Kärntens LH Peter Kaiser ist in ÖSTERREICH außer sich: „Dieses Modell ist ein Wahnsinn.“

  • Kinder. Grund des Ärgers: Gekürzt wird bei Mehrkind-Familien, doch auch Paare mit zwei Kindern erhalten künftig weniger, rechnet die AK vor: Bisher waren es 1.605,26 Euro, künftig sind es um 125 Euro weniger. Für das dritte Kind erhält man künftig 43,15 Euro/Monat. Eine Zahl allerdings, die später von der Regierung korrigiert wurde. Tirols Landesrätin Gabriele Fischer (Grüne): „Das reicht nicht mal für die Windeln.“
  • Flüchtlinge. Sie erhalten künftig – wenn sie keine guten Deutschkenntnisse haben – um 300 Euro weniger.
  • Streit um Notstandshilfe. Doch der eigentliche Streitpunkt kommt erst 2019: Dann soll die Notstandshilfe reformiert werden – und Kurz schloss nicht aus, dass Jüngere mit wenig Versicherungszeiten in die Mindestsicherung fallen können.

 

Hacker: "Das wird es mit uns nicht spielen"

Peter Hacker
© APA/HANS KLAUS TECHT
ÖSTERREICH: Was sagen Sie zur neuen Mindestsicherung? So wird ja bei den Flüchtlingen 300 Euro gekürzt.
 
Peter HACKER: Der Bund zieht sich aus seiner Integrationsaufgabe völlig zurück. Die Menschen sollen sich Deutschkurse selbst bezahlen, das steht ja in Wirklichkeit drinnen. Und wenn sie dann Deutsch können, bekommen sie 300 Euro Bonus. Das ist zynisch. Zynischer geht’s kaum. 
 
ÖSTERREICH: Und die Kürzungen bei Kindern?
 
HACKER: Mit aller Klarheit: Das wird es mit der Sozialdemokratie nicht spielen! Die Kinder werden bei uns nicht die Verlierer werden.
 
ÖSTERREICH: Wien wird die Reform also am Ende nicht umsetzen?
 
HACKER: Noch liegt ja nicht einmal ein Gesetz vor. Wenn der Entwurf kommt, werden wir ihn ernsthaft prüfen. Bisher wird schattengeboxt: Die 300 Euro halten europarechtlich wohl kaum. Und die fünfjährige Wartefrist ist geltendes Recht. Alles Zinnober. Dafür kürzt die Regierung bei Kindern. Da werden wir ganz sicherlich Widerstand leisten.
 

Kaiser: "Das ist ein Wahnsinn"

Peter Kaiser
© APA/HANS PUNZ

ÖSTERREICH: Was sagen Sie zur neuen Mindestsicherung?

Peter Kaiser: Ein Wahnsinn.

ÖSTERREICH: Warum?

Kaiser:  Ich kann nicht nachvollziehen, was man damit bezweckt, bei den Kindern zu kürzen. Ausländer oder nicht – es sind einfach Menschen. Ein Drittel der 307.000 Mindestsicherungsbezieher sind Kinder, das ist doch einfach irre. Und wir reden da von nicht einmal einem Prozent aller Sozialausgaben.

ÖSTERREICH: Gekürzt wird auch bei Flüchtlingen ...

Kaiser:  ... bei Menschen ohne Schulabschluss. Das trifft auch Österreicher – und damit ohnehin schon benachteiligte Menschen.   

ÖSTERREICH: Was wird Kärnten jetzt tun?

Kaiser:  Wir werden uns einmal ansehen, welche regionalen Spielräume uns das Gesetz bietet. Aber hier wird die Zukunft vieler Kinder verspielt – was ist das für eine Politik? 

(gü)
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