Bundespräsident lobt die Regierung, übt aber auch Kritik.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen würde einen Exit vom Brexit begrüßen. Großbritannien könne aber nur selbst entscheiden, vielleicht doch in der EU zu bleiben, meinte er im APA-Interview. Für den österreichischen EU-Ratsvorsitz gab es ein zwiespältiges Zeugnis. Der türkis-blauen Regierung konzedierte er eine "weitgehend" pro-europäische Haltung. Diese habe auch die FPÖ "bisher mitgetragen".
"Die Einschätzungen der österreichischen Ratspräsidentschaft sind unterschiedlich", zog er in einem zum Jahreswechsel geführten Bilanz-Interview zu vorwiegend außenpolitischen Themen mit der APA-Austria Presse Agentur ein differenziertes Resümee. Van der Bellen lobte explizit das EU-Afrika-Forum, die Fortschritte bei den Budgetverhandlungen und die österreichischen Beamten.
Kritik
Der frühere Grünen-Chef bemängelte aber: "Mir persönlich zu kurz gekommen ist die Klimapolitik." Bei der Migrationspolitik, einem Schwerpunkt der Ratspräsidentschaft, "sind die EU-Staaten weiter uneins", bilanzierte Van der Bellen weiter und pochte auf die Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention, legale Einwanderungsmöglichkeiten und ein europäisches Asylsystem.
"Wer um Asyl ansucht, muss ein ordentliches Verfahren erhalten, und Asyl bekommen, wenn die Voraussetzungen gegeben sind", erklärte der Bundespräsident. "Wenn wir irreguläre Migration verhindern wollen, müssen wir legale Einwanderungsmöglichkeiten schaffen." Mit einem europäischen Einwanderungsrecht und einem gemeinsamen Asylsystem "können wir Verfolgte schützen und zugleich die Zuwanderung kontrollieren. Darauf müssen wir hinarbeiten."
Pro-europäisch
Generell zog der frühere Grünen-Chef bezüglich der Europa-Politik der ÖVP-FPÖ-Bundesregierung aber folgenden Schluss: "Eine meiner Vorgaben für diese Regierung war, dass sie eine pro-europäische Haltung vertritt. Das hat die Regierung weitgehend eingehalten, und das hat die FPÖ bisher mitgetragen." Es habe aber auch Punkte gegeben, wo er "nicht einverstanden war, wie die Indexierung der Familienbeihilfe oder die Haltung zum Migrationspakt".
Dass es während des Ratsvorsitzes in Sachen Brexit zu "Irrungen und Wirrungen" gekommen sei, liege "nicht in der Verantwortung der österreichischen Präsidentschaft". Die Frage nach einem zweiten Referendum beantwortete Van der Bellen nicht eindeutig. Angesichts der "gespaltenen Meinung in der EU-Frage" in Großbritannien sei eine Prognose "wenig sinnvoll". "Wenn aber UK sich entscheiden sollte, doch in der EU bleiben zu wollen, würde ich das begrüßen. Diese Entscheidung kann aber nur das Vereinigte Königreich selbst treffen. Diese Entscheidung kann aber nur das Vereinigte Königreich selbst treffen."
In der Klimapolitik sprach er sich für eine Verschärfung der Klimaschutzziele aller Staaten dieser Erde aus. "Nationale Antworten greifen bei der Klimafrage viel zu kurz", betonte der ehemalige Grünen-Vorsitzende. "Alle Staaten dieser Erde müssen ihre nationalen Klimaschutzziele verschärfen, das gilt auch für Europa, das gilt auch für Österreich. Nur so können wir die Erderhitzung noch eingrenzen und unsere Erde lebenswert erhalten. Es ist keine Zeit zum Ausruhen, wir müssen noch viel mehr tun."