Verwirrspiel um den Gottesdienst: Zuerst sollte die Sonntagsmesse platzen, dann predigte Gerhard Maria Wagner doch. Macht er nun Karriere in Rom?
Sonntag, 8.30 Uhr: Dicke Schneeflocken decken die Windischgarstner Kirche zur frühen, aber nicht unchristlichen Stunde weiß ein. Die Gläubigen der 2.400-Seelen-Gemeinde konnte nichts davon abhalten, in Scharen zur Morgenmesse zu pilgern, um den Worten ihres Pfarrers Gerhard Maria Wagner zu lauschen. Sie stehen hinter ihm und seinen Aussagen, dass Harry Potter satanistisch sei und Homosexualität geheilt werden könne.
Karriere
Nachdem er das Amt des Linzer Weihbischofs ausgeschlagen
hat – wenngleich mehr wegen der offenen Ablehnung von Bischof Ludwig Schwarz
– dürfte er seiner Gemeinde erhalten bleiben. „Es sei denn, er geht nach
Rom“, sagt Kirchengeher Stefan Hinterreiter (74). Das Gerücht hält sich im
Ort hartnäckig. Das Kirchenvolk empfängt Wagner mit „Gegrüßet seist Du,
Maria“. Dann geht der Konservative durch die Reihen und weiht seine
Schäfchen mit Weihwasser. Wagners Erscheinen kam überraschend. Am Samstag
hieß es noch, dass er keinen Gottesdienst halten würde. „Ich könnte einen
Rückzug gut verstehen, weil er sicher verletzt und enttäuscht ist“, sagt
Katholikin Christine R. (34).
Kanzel
In Windischgarsten ticken die Uhren wie in alten
Kirchenzeiten – gepredigt wird von der Kanzel herab. „Die Welt will heute
von der Sünde nichts wissen, weil sie nicht wahrhaben will, dass die Sünde
große Not auslöst“, erinnert Wagner seine Anhänger an Schuld und Sühne. Mit
dieser Haltung hat er einen erbitterten Streit zwischen dem liberalen und
dem konservativen Flügel ausgelöst. 2.400 Österreicher kehrten Rom den
Rücken, 700.000 dachten darüber nach. Die Kirchenaustritte gehen auch nach
Wagners Verzicht auf das Amt ungebrochen weiter. Alleine in Linz schieden
zuletzt täglich rund 30 Personen aus.
Wortgewalt
„Worte können aufrichten, Worte können zerstören“,
appelliert Wagner in seiner Predigt an einen sorgsamen Sprachgebrauch. Die
Vorfälle rund um die Rebellion gegen ihn vermeidet er zu kommentieren. Nur
ein einziges Mal spielt er darauf an: „Die Windischgarstner müssen nicht zur
Beichte gehen, wie zu lesen war. Die Beichte ist eine Einladung.“ Die
Pfarrgemeinde in der Pyhrn-Priel-Region ist wehmütig, dass aus dem
Karrieresprung nach Linz nichts geworden ist. „Er wäre so ein guter Bischof
geworden“, sagt Anna Weisz (78). Ein böses Wort lassen die Windischgarstner
nicht über ihr Kirchenoberhaupt kommen.