Planungsbüros liefern Konzepte für Neugestaltungsprozess.
Pünktlich zum 150-Jahr-Jubiläum denkt Planungsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) schon an die Zukunft der Wiener Ringstraße. Sie will den Corso in den kommenden Jahren Schritt für Schritt neu gestalten und damit auch verkehrsberuhigen. Parkplätze und Nebenfahrbahnen könnten etwa großzügigen Fußgängerarealen weichen, skizzierte sie am Dienstag in einer Pressekonferenz.
Visionen für den Ring
Konkrete Pläne gibt es freilich noch nicht. Stattdessen hat die Ressortchefin zwei internationale Planungsbüros - Gehl Architects aus Kopenhagen und Barcelona Regional - beauftragt, Visionen für den Ring auszuarbeiten: "Wir haben gefragt, wie diese Straße in zehn oder 15 Jahren aussehen könnte." Die heute präsentierten Vorschläge sieht Vassilakou als Inspiration und Input, um eine breite Debatte anzustoßen und darauffolgend tatsächliche Umsetzungskonzepte auszutüfteln.
Flanierqualität
Was den Status quo betrifft, sind sich Henriette Vamberg (Gehl Architects) und Marc Montilleo (Barcelona Regional) generell einig. Der Ring sei vorrangig eine lärmumtoste Verkehrsader und mühsames Pflaster für Fußgänger und Radfahrer. Die zahlreichen Monumentalbauten seien umgeben von wenig glanzvollen Parkplätzen, Asphaltflächen und Nebenfahrstreifen. Beide Planungsexperten plädieren für mehr Flanierqualität, großzügigere Verweilareale, weniger Autos und eine Homogenisierung des derzeitig stark parzellierten Nutzungs-Wirrwarrs.
Die Idee aus Kopenhagen will vor allem an den Rändern des fast 60 Meter breiten Rings ansetzen. "Zwei Drittel der Breite liegen außerhalb des eigentlichen Verkehrsbereichs", verwies Vamberg auf das Potenzial. Derzeit seien diese Abschnitte allerdings durch Parkspuren, Schilderwälder, Nebenfahrbahnen und Rad- bzw. Fußgängerstreifen verbaut. Gehl Architects schlägt die Aufhebung dieser strikten Trennungen vor, um stattdessen ebene gepflasterte Flächen - vor allem rund um imposante Gebäude wie Uni, Oper oder Burgtheater - zu schaffen, die als Mischzonen für Fußgänger und Radfahrer dienen. Die mittigen Fahrspuren könnten prinzipiell belassen werden, wobei der Autoverkehr reduziert werden müsse - beispielsweise dadurch, dass der Ring nicht mehr als Durchzugsstraße genutzt werden kann.
Verbannung der Autos
Die spanischen Kollegen gehen noch einen Schritt weiter. Sie plädieren für die gänzliche Verbannung der Autos - mit Ausnahmen beispielsweise für den Lieferverkehr - und eine Verlagerung der Straßenbahngleise in die Mitte des Boulevards. Der Rest soll gewissermaßen als riesige Fußgängerzone mit Raderlaubnis, Sitzinseln und Piazzas ausgestaltet werden, erklärte Montilleo. Damit könnten die wichtigen Institutionen am Ring eine Art Portal erhalten.
Vassilakou meinte, dass beide Konzepte den Vorteil hätten, modular und in verschiedenen Ausbaustufen umgesetzt werden zu können. Sie will nun auf Basis der beiden Visionen, die auch online unter http://www.mobilitaetsagentur.at abrufbar sind, eine "systematisch aufgesetzte Diskussion" mit allen beteiligten Institutionen bzw. Betroffenen anstoßen. Umsetzungspläne könnten - sofern Rot-Grün nach der Wahl im Herbst weiterregiert - bis zur Halbzeit der kommenden Legislaturperiode stehen, erste Neugestaltungsschritte unmittelbar darauf folgen, nannte sie das Areal rund um die Universität und das Burgtheater als Beispiele. Letzteres sei ein gutes Beispiel, "wie nachlässig wir mit öffentlichem Raum rund um bedeutende Gebäude umgeben". Die Burg sei umgeben "von einem mäßig dekorativen Parkplatz, einer Tankstelle und viel sanierungsbedürftigem Asphalt".
Die Vision eines autofreien Rings hält die Grün-Politikerin für "interessant". Aber sie kann sich auch eine Verkehrsberuhigung vorstellen, bei der die Autos auf der Prachtstraße bleiben dürfen. Das größte Raumpotenzial gebe es sowieso links und rechts der Fahrspuren.
Strache entsetzt
Die Rathaus-Opposition hält wenig von den verkehrsberuhigenden Vorschlägen zur Ringstraße. "Der blanke Verkehrsirrsinn der Wiener Grünen geht in die nächste überzogene und völlig absurde Runde", befand etwa FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in einer Aussendung.
Dass Nebenfahrbahnen und Parkplätze Fußgängerarealen weichen sollen, sei abzulehnen: "Sollte Frau Vassilakou in den kommenden fünf Jahren so weiter fuhrwerken dürfen, wie sie es auch in den vergangenen getan hat, dann wird sie auch ein weiteres Sterben der Wiener Wirtschaft und einen katastrophalen Verkehrskollaps in der Bundeshauptstadt zu verantworten haben." Wien vertrage keine weiteren, millionenteuren Prestigeprojekte, warnte Strache.