Kairo

Ägypten: Marsch der Millionen

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Ägyptens Muslimbrüder riefen am Freitag zum Marsch der Millionen. Erste Machtprobe

Aus allen Landes­teilen reisten Vertreter der Muslimbruderschaft gestern zum Freitagsgebet nach Kairo. Teilweise wurden die ­Teilnehmer am „Marsch der Millionen“ von den Islamisten bezahlt, jeder Demonstrationsteilnehmer erhielt eine „Aufwandsentschädigung“. Mit dem Großprotest wollte die Muslimbruderschaft die Wiedereinsetzung ihres gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi erzwingen.

Mursi sitzt seit drei Wochen in Armee-Haft, gegen seinen Parteichef Muhammad Badie und neun weiterer Funktionäre der islamistischen Organisation wurden Haftbefehle erlassen: „Aufrufe zur Gewalt“ wirft ihnen die Justiz vor.

Harte Fronten
Bis heute lehnen die Muslimbrüder (erhielten bei der letzten Wahl 45,7 Prozent der Stimmen) das Angebot ab, sich an der Übergangsregierung zu beteiligen. Sie wollten „nicht gemeinsame Sache mit Putschisten machen“.

Die ganze Macht in Kairo liegt derzeit in der Hand von Militärchef Abdul al-Sisi (58): „Er trifft alle Entscheidungen“, sagt Nahost-Experte Peter Scholl-Latour: „Aber auch er wird einsehen müssen, dass es ohne die Muslimbrüder nicht geht.“

Peter Scholl-Latour
"Ohne Muslimbrüder geht’s nicht"

ÖSTERREICH: Wird die neue politische Führung Ägyptens die Massenproteste der Muslimbrüder überstehen?
Peter Scholl-Latour: Es gibt doch keine neue Führung in Ägypten.
Übergangsregierungschef Hazem al-Beblawi, sein Vize Mohammed ElBaradei und Interimspräsident Adli Mansur haben überhaupt keinen Rückhalt in der Bevölkerung. Das Militär ist weiterhin die stärkste Macht im ganzen Land, die Situation völlig verworren.

ÖSTERREICH:
Kann Ägypten gegen die Muslimbrüder regiert werden?
Scholl-Latour: Wohl kaum, sie werden künftig ­eine starke Macht bleiben. Präsident Mursi ist keine Lichtgestalt, auch kein Volkstribun. Aber er ist ungesetzlich abgesetzt worden, er wurde vom Militär gestürzt, es war ein Putsch. Mursi ist demokratisch gewählt worden. Das war eine Verschwörung.

ÖSTERREICH:
Ist ein Comeback Mursis denkbar?
Scholl-Latour: Ausgeschlossen ist das nicht.

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