Geheimcode

'London Bridge': Das passiert nach dem Tod der Queen

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Es sind vier Worte, die ein ganzes Land zum Stillstand gebracht haben: "London Bridge is down."

Mit diesem Satz - auf Deutsch etwa "Die London Bridge ist eingestürzt" - hat heute ein ranghoher Beamter den britischen Premierminister informiert, dass Königin Elizabeth II. tot ist. In kurzer Zeit wird die Trauer das gesamte öffentliche Leben überschatten. Doch vor allem ist der Code der Auslöser für die minutiös vorgegebene "Operation London Bridge".

+++ Das Protokoll Tag für Tag aufgeschlüsselt finden Sie am Ende dieses Artikels +++

Protokoll kam schon bei Philips Tod zum Einsatz

Wer wird wann benachrichtigt, wie wird die Bevölkerung informiert, was geschieht mit Thronfolger Prinz Charles? Verantwortlich sind der Palast sowie die zentrale Regierungsbehörde Cabinet Office, in der es sogar ein eigenes "Bridges"-Referat gibt. Wie einstudiert das Protokoll ist, ließ sich zuletzt beim Tod von Queen-Gatte Prinz Philip erleben - die "Operation Forth Bridge" lief wie am Schnürchen.

Grundzüge von "London Bridge" sind spätestens bekannt, seitdem die Zeitung "Guardian" 2017 umfassend über die Pläne berichtete - die nie vom Palast dementiert wurden. Das Online-Magazin "Politico" berichtete, ihm liege der komplette Ablauf inklusive einiger neuer Details vor. So seien etwa mögliche Corona-Bedingungen eingearbeitet, zudem gebe es genaue Vorschriften für das Verhalten des Regierungsapparats in Sozialen Medien.

Dass die Pläne seit Jahren vorliegen und die Queen davon Kenntnis haben dürfte, mag befremdlich anmuten. Doch bei einem Ereignis dieser Dimension, das Auswirkungen auf die ganze Welt haben wird - zumal die Königin Staatsoberhaupt von gut einem Dutzend Staaten, ehemaligen britischen Kolonien, ist - müssen alle Beteiligten genau Bescheid wissen. Ansonsten würde das emotionale Durcheinander für Chaos sorgen. Ähnliches gilt etwa für Medien: Weltweit sind seit Jahren Nachrufe vorbereitet, wie bei anderen Prominenten.

Verbreitung der Todesmeldung ist minutiös geplant

Doch zurück zum Ablauf der "Operation London Bridge", wie "Politico" ihn beschreibt. Der Todestag ("Death Day") selbst wird demnach intern "D-Day" genannt - das britische Äquivalent zum deutschen "Tag X". Sobald die Regierung informiert ist, meldet die britische Nachrichtenagentur PA den Tod der Queen in einer Blitzmeldung, und der Palast veröffentlicht eine offizielle Benachrichtigung. Sodann sollen an allen öffentlichen Gebäuden in Windeseile die Fahnen auf halbmast gesenkt werden, Ziel sind maximal zehn Minuten.

Als erster wird der Premierminister Stellung nehmen, und die Royal Family gibt die Pläne für die Beisetzung bekannt, die vermutlich nach zehn Tagen stattfinden wird. Salutschüsse und eine nationale Schweigeminute werden angeordnet, bevor der Premier sich zur Audienz mit dem neuen König trifft - Charles, der älteste Sohn der Queen. Das neue Staatsoberhaupt wird dann, geplant ist 18.00 Uhr Ortszeit, eine Ansprache an sein Volk halten. In der Londoner Kathedrale St. Paul's findet ein Gedenkgottesdienst statt.

Vorschriften für Social Media

Doch nicht nur das traditionelle Zeremoniell ist vorbereitet. Die Pläne sind auch an die Moderne angepasst. So ist laut "Politico" vorgeschrieben, dass die Banner der staatlichen Social-Media-Accounts in schwarz erscheinen und als Profilbild das Behördenwappen verwendet wird. Ministerien dürfen nur noch die wichtigsten Mitteilungen veröffentlichen. Bei Twitter sind ihnen Retweets verboten, bis der Kommunikationschef der Regierung diese freigibt.

Auch die Tage bis zum Staatsbegräbnis sind vorbereitet. Zwar ist Charles von der Sekunde an, in der seine Mutter stirbt, bereits König. Offiziell proklamiert wird er aber erst am nächsten Vormittag - "D-Day+1". Am "D-Day+2" wird der Sarg der Königin, die zuletzt vor allem auf Schloss Windsor bei London residierte, in den Buckingham Palast im Herzen der Hauptstadt überführt. "D-Day+3" sieht Charles zu einer Reise durch alle Landesteile aufbrechen. Erster Halt: die schottische Hauptstadt Edinburgh.

Weitere Codenamen

Auch verschiedene Aspekte von "London Bridge" haben eigene Codenamen. So heißt die Inthronisierung von Prinz Charles "Spring Tide" (Springflut) und die dreitägige Aufbahrung der Queen "Feather" (Feder). Währenddessen laufen die Vorbereitungen für die Trauerzeremonie in der Londoner Kathedrale Westminster Abbey auf Hochtouren. Beigesetzt wird die Queen schließlich auf Schloss Windsor in der kleinen König-Georg-VI.-Gedenkkapelle, neben ihrem Mann.

"Die Dokumente zeigen das außergewöhnliche Maß an Maßnahmen, das von allen Teilen des britischen Staates erforderlich ist", schreibt "Politico". So ist eine gewaltige Sicherheitsoperation geplant, um "beispiellose Menschenmengen und Reisechaos" zu bewältigen. Hunderttausende werden in die Stadt strömen. Das Online-Portal zitiert aus einem Memo: Der Tod der Queen könne dazu führen, dass London erstmals "voll" wird.

"Operation London Bridge" im Überblick

"London Bridge is down." Mit diesem Satz - auf Deutsch etwa "Die London Bridge ist eingestürzt" - soll der Privatsekretär der Queen den britischen Premierminister oder die Premierministerin informieren, dass Königin Elizabeth II. tot ist. Das sind die nächsten Schritte nach Angaben der Vereinigung der Auslandspresse in Großbritannien:

- Das Außenministerium wird die Nachricht an die Regierungen außerhalb des Vereinigten Königreichs, in denen die Königin Staatsoberhaupt ist, und an die anderen Länder des Commonwealth übermitteln.

- Der Tag, an dem die Königin stirbt, heißt D-Day. Jeder folgende Tag bis zum Tag der Beerdigung wird als D-Day+1, D-Day+2 und so weiter bezeichnet.

- Die Minister werden per E-Mail über den Tod informiert. Spätestens zehn Minuten nach Bekanntgabe des Todes werden die Flaggen auf der Straße Whitehall im Londoner Regierungsviertel auf halbmast gesenkt.

- Die britische Nachrichtenagentur Press Association wird eine Blitzmeldung senden. Gleichzeitig wird am Buckingham Palast die offizielle Mitteilung über den Tod an das Tor oder an eine Staffelei geheftet.

- Das britische Parlament und die Parlamente in Schottland, Wales und Nordirland werden vertagt.

- Auf der Webseite der Königsfamilie erscheint eine schwarze Seite mit einer Erklärung, in der der Tod bestätigt wird. Auf der Website der britischen Regierung wird ein schwarzes Banner angezeigt.

- Der Premierminister oder die Premierministerin wird als erster oder erste eine Erklärung abgeben.

- Die königliche Familie wird die Pläne für das Staatsbegräbnis veröffentlichen, das voraussichtlich zehn Tage nach dem Tod stattfinden soll. Eine nationale Schweigeminute wird angekündigt.

- Der Premierminister wird eine Audienz mit dem neuen König halten. Damit leitet er die "Operation Spring Tide" (Springflut) ein.

- Beerbt wird Elizabeth II. von ihrem Sohn Prinz Charles. Es ist noch nicht klar, welchen Namen er als König annehmen wird - es könnte Charles III. oder auch George VII. sein. Er wurde auf den Namen Charles Philip Arthur George getauft und könnte jeden dieser Namen annehmen.

- Der König wird an diesem Tag um 18 Uhr eine Ansprache an die Nation halten.

D-Day+1

- Ein Rat tritt um 10 Uhr zusammen, um den König zum neuen Monarchen zu proklamieren. Die Proklamation wird im St. James's Palace und in der Royal Exchange, dem Ort der ersten Börse Londons, verlesen, wodurch Charles als König bestätigt wird.

- Das Parlament tritt zusammen, um eine Beileidsbekundung zu verabschieden. Alle parlamentarischen Arbeiten werden für zehn Tage ausgesetzt.

- Der Premierminister und das Kabinett werden um 15.30 Uhr mit dem neuen König zusammentreffen.

D-Day+2

- Der Sarg der Königin wird in den Buckingham-Palast gebracht sofern er nicht bereits dort ist.

- Falls die Königin in Balmoral in Schottland stirbt, wo sie gerade weilt, wird ihr Leichnam mit dem königlichen Zug nach London überführt ("Operation Unicorn" - also Einhorn). Sollte dies nicht möglich sein, wird ihr Leichnam nach London zurückgeflogen.

D-Day+3

- Der neue König wird den Kondolenzantrag in der Westminster Hall entgegennehmen.

- Anschließend begibt er sich auf eine Trauerreise durch das Vereinigte Königreich, beginnend mit Schottland. Er wird im schottischen Parlament einen Kondolenzantrag entgegennehmen und an einem Gottesdienst in der St. Giles' Cathedral in Edinburgh teilnehmen.

D-Day+4

- Der König wird in Nordirland eintreffen, wo er im Hillsborough Castle eine weitere Beileidsbekundung entgegennehmen und an einem Gottesdienst in der St. Anne's Cathedral in Belfast teilnehmen wird.

- Es findet eine Probe für die "Operation Lion" (Löwe) statt: die Prozession mit dem Sarg vom Buckingham Palace zum Parlamentsgebäude Palace of Westminster.

D-Day+5

- "Operation Lion": Der Sarg der Königin wird auf einer Route durch London vom Buckingham Palace zum Parlamentsgebäude Palace of Westminster überführt. In der Westminster Hall findet eine Gedenkfeier statt.

D-Day+6

- "Operation Feather" (Feder): Die Königin wird drei Tage im Palace of Westminster aufgebahrt. Der Sarg wird 23 Stunden am Tag für die Öffentlichkeit zugänglich sein.

- Probe für den Staatsbegräbniszug

D-Day+7

- Der König reist nach Wales, um einen Antrag des walisischen Parlaments entgegenzunehmen und an einem Gottesdienst in der Kathedrale von Llandaff in Cardiff teilzunehmen.

D-Day+8 und 9

- Der Sarg wird aufgebahrt. Hunderttausende Menschen werden in London erwartet, um der Queen die letzte Ehre zu erweisen. Kondolenzbücher werden online geöffnet.

D-Day+10

- Staatstrauertag

- Das Staatsbegräbnis findet in der Westminster Abbey statt.

- Im ganzen Land wird es mittags zwei Schweigeminuten geben

- Prozessionen finden in London und Windsor statt.

- Die Königin wird auf Schloss Windsor in der King George VI. Memorial Chapel neben ihrem Vater beigesetzt. Das Porträt der Königin wird mit einem schwarzen Band in allen Rathäusern für einen Monat aufgehängt, bevor es durch ein Porträt des neuen Königs ersetzt wird.

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