Laut Kriminalpolizei war die Briefbombe funktionsfähig.
Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann ist einem Briefbomben-Anschlag entgangen. Das Hessische Landeskriminalamt erklärte am Donnerstag, dass es sich bei der am Vortag abgefangenen verdächtigen Sendung an den Schweizer nach ersten Erkenntnissen um eine funktionsfähige Briefbombe gehandelt habe. Details wollte die Behörde nicht nennen. Ein Polizeisprecher sagte, es deute nichts auf einen "gewerblichen oder militärischen Sprengstoff hin", sondern auf "Eigenbau", etwa aus Feuerwerkskörpern. Das LKA ermittelt nun gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft Frankfurt.
Italienische Anarchisten
Zu dem versuchten Briefbombenanschlag auf Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann hat sich nach Angaben des hessischen Landeskriminalamtes eine linksanarchistische Gruppe aus Italien bekannt. Bei der Spurensicherung sei ein verstecktes, gerolltes Bekennerschreiben der "FAI - Federazione Anarchica Informale" entdeckt worden, teilte das LKA am Donnerstag mit.
Verdächtiges Kuvert am Mittwoch in Frankfurt abgefangen
Der verdächtige DIN-A5-Umschlag war am Mittwochnachmittag am Frankfurter Hauptsitz der Deutschen Bank eingegangen und den Sicherheitsleuten in der Routine-Überprüfung aufgefallen. Er war an Ackermann persönlich adressiert, aber der 63-Jährige hielt sich zu der Zeit Finanzkreisen zufolge nicht in der Bank auf. "Einen solchen Anschlagsversuch auf Ackermann gab es noch nie", sagte ein Deutsche-Banker. In letzter Zeit habe die Zahl der Drohungen gegen Ackermann massiv zugenommen - vor allem auch im Internet. "Mach Dich vom Acker-Mann", ist eines von vielen Beispielen. Künftig werde der Top-Banker voraussichtlich stärker und offensichtlicher als bisher von Leibwächtern beschützt, betonte der Insider. Ackermann werde sich aber nicht zurückziehen und weiter wie geplant öffentlich auftreten.
Bankmitarbeiter empört über Anschlagsversuch
Bankmitarbeiter zeigten sich empört über den Anschlagsversuch. "Es gibt immer wieder Leute, die denken, das wäre eine Lösung", sagte Stefan Popp, als er am Morgen zur Arbeit kam. Als Mitarbeiter fühle er sich aber nicht bedroht. Bankenkreisen zufolge verstärkte die Deutsche Bank weltweit ihre Vorkehrungen. Demnach wird mehr Sicherheitspersonal eingesetzt. Die Commerzbank wollte sich nicht dazu äußern, ob sie nach dem Vorfall weitere Maßnahmen ergreifen will. "Bitte verstehen Sie, dass wir uns zu Sicherheitsfragen grundsätzlich nicht äußern", sagte ein Sprecher der Bank.
Sprengstoff und Bombensplitter im Brief
Laut einem hochrangigen Mitarbeiter der US-Strafverfolgungsbehörden enthielt die Sendung an Ackermann vorläufigen Untersuchungen zufolge Sprengstoff und Bombensplitter. Nach Informationen des US-Mitarbeiters war als Rücksendeadresse die ebenfalls in Frankfurt ansässige Europäische Zentralbank angegeben worden. Nach dem Fund seien die Sicherheitsvorkehrungen in den New Yorker Büros des größten deutschen Kreditinstituts erhöht worden.
Ackermann, der den Chefsessel der Bank im kommenden Jahr verlässt, gilt für viele in Deutschland als das Gesicht des Kapitalismus. Auch als Vorsitzender der internationalen Bankenvereinigung IIF ist der Schweizer in der Euro-Schuldenkrise in den Medien stark präsent. Sein Einsatz für die Belange der Finanzbranche hat ihn bei Bankenkritikern seit längerem zur Zielscheibe der Kritik gemacht.
Ackermann im November in Hamburg ausgepfiffen
Erst im November unterbrachen Aktivisten der bankenkritischen Occupy-Bewegung in Hamburg eine Rede Ackermanns zur Verantwortung globaler Unternehmen mit Sprechchören und Pfiffen. Die "irrwitzigen Renditevorgaben" der Banken seien Hauptgrund für die Finanzkrise, sagte eine Occupy-Vertreterin damals. Vom Anschlagsversuch auf den Top-Banker distanzierten sich Occupy-Vertreter jedoch umgehend. "Wir verurteilen jegliche Aktionen, die irgendwie mit Gewalt zu tun haben", sagte Frank Stegmaier von Occupy Frankfurt, die seit dem 15. Oktober in der Grünanlage vor der Europäischen Zentrale ein Protestcamp errichtet hat. "Occupy hat andere Möglichkeiten des Protests." Auch die Globalisierungskritiker von Attac distanzierten sich. "Es gibt bei uns einen ganz klaren Konsens: Von uns geht keine Gewalt aus", sagte Attac-Sprecherin Frauke Distelrath.
Die Deutsche Bank als größtes Geldhaus in Deutschland war zuletzt zu Zeiten der Rote Armee Fraktion (RAF) Ziel von Anschlägen. Der frühere Bankchef Alfred Herrhausen wurde im November 1989 von der RAF im Auto in der Nähe seines Hauses in Bad Homburg getötet. Die Gruppe hatte eine Bombe am Straßenrand platziert, die explodierte, als Herrhausen vorbeifuhr.