Stammzellen dürfen nicht patentiert und vermarktet werden.
Der Europäische Gerichtshof hat der Stammzellenforschung in Europa enge Grenzen gesetzt. Nach einem Grundsatzurteil dürfen menschliche embryonale Stammzellen nicht für die wissenschaftliche Forschung patentiert und vermarktet werden. Wenn für deren Gewinnung Embryonen zerstört würden, verstoße dies gegen den Schutz der Menschenwürde, entschieden die Richter des EuGH am Dienstag in Luxemburg (Rechtssache: C-34/10). Auch bei befruchteten Eizellen handle es sich rechtlich um Embryonen und menschliches Leben.
Hintergrund der Klage war ein Patentstreit zwischen der Umweltorganisation Greenpeace und dem Bonner Neurobiologen Oliver Brüstle. Dabei ging es um ein Patent auf diese Zellen, die der Forscher zur Behandlung neurologischer Krankheiten wie Parkinson oder Multiple Sklerose einsetzen wollte, sowie die Verfahren zu ihrer Herstellung.
Milliardengeschäfte in der Biomedizin unterbunden
Das Grundsatzurteil unterbindet mögliche Milliardengeschäfte mit Biomedizin. "Die Erteilung eines Patents für eine Erfindung schließt grundsätzlich deren industrielle und kommerzielle Verwendung ein", schrieben die Richter in ihrer Begründung. Allerdings hält der Gerichtshof eine Ausnahme des generellen Patent-Verbots für möglich. Das gelte, wenn Stammzellen für eine Therapie oder Diagnose zum Nutzen des Embryos benutzt würden, zum Beispiel um Missbildungen zu beheben oder die Überlebenschancen des Embryos zu verbessern.
Embryonale Stammzellen sind noch nicht auf eine bestimmte Aufgabe festgelegt und können damit prinzipiell zu allen Zellentypen werden. Deshalb sind sie für die Forschung und Medizin bei der Behandlung von Krankheiten so wertvoll. Ihre Nutzung ist aber äußerst umstritten, weil sie aus frühen Embryonen stammen, die bei ihrer Gewinnung zerstört werden. "Der Begriff des menschlichen Embryos ist weit auszulegen", schreiben die Richter.
Greenpeace erwartet nur begrenzte Wirkung des Urteils
Inzwischen haben Forscher aber Verfahren entwickelt, bei denen sie Körperzellen zurückprogrammieren. Diese sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen) besitzen nach derzeitigem Kenntnisstand die wichtigsten Eigenschaften embryonaler Stammzellen, lassen sich aber aus normalen Körperzellen gewinnen. Die Forscher stellen somit eine Art embryonalen Zustand wieder her. Ob solche iPS-Zellen ein vollwertiger Ersatz sein können, muss sich noch zeigen.
Greenpeace erwartet daher, dass das Urteil auf die Stammzellforschung insgesamt nur begrenzten Einfluss haben wird: "Forscher haben in den vergangenen Jahren verschiedene Möglichkeiten gefunden, geeignete Stammzellen herzustellen, ohne menschliche Embryonen zu zerstören." Christoph Then von Greenpeace sagte, das Urteil schreibe "europäische Rechtsgeschichte". Der Gerichtshof habe den Schutz menschlichen Lebens gegenüber wirtschaftlichen Interessen deutlich gestärkt.
Der bekannte Neurobiologe Brüstle stand im Mittelpunkt des Prozesses. Brüstle ist Inhaber eines 1997 angemeldeten Patents für nervliche Vorläuferzellen. Diese werden zur Behandlung von Krankheiten wie Parkinson oder Multiple Sklerose erprobt. Die Vorläuferzellen, aus denen sich dann Nervenzellen bilden, stellt Brüstle aus embryonalen Stammzellen her. Auf Klage der Umweltorganisation Greenpeace hatte das Bundespatentamt dieses Patent wegen ethischer Bedenken aufgehoben und auf den Schutz der Menschenwürde und des menschlichen Lebens verwiesen. In nächster Instanz war der Bundesgerichtshof mit der Frage befasst, der die Sache nach Luxemburg verwies.
Bei dem Rechtsstreit geht es auch um die Auslegung der europäischen Biopatentrichtlinie. Sie schützt den menschlichen Körper in den einzelnen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung. Nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs gilt dies nicht erst für das geborene Kind, sondern auch für Zellen, die sich zu einem Embryo entwickeln können.