Ein Skandal nach dem anderen jagt die französischen Präsidentschaftskandidaten.
Krisenstimmung bei Frankreichs Konservativen: In der Scheinbeschäftigungsaffäre um Präsidentschaftskandidat Francois Fillon sind die Rufe nach einem Rücktritt lauter geworden.
Der frühere Premierminister Alain Juppe ließ am Freitag erkennen, dass er als Ersatzkandidat bereitstünde - und erhöhte damit den Druck weiter. Fillons Wahlkampf-Chef Patrick Stefanini und Kampagnen-Sprecher Thierry Solere kündigten ihren Rücktritt an, Medien sprachen von einem "Aderlass" bei den Unterstützern Fillons. Der rief seine Anhänger allerdings zum Widerstand auf und setzt auf eine Demonstration seiner Unterstützer am Sonntag in Paris.
Nach Zählung der linksliberalen Zeitung "Liberation" distanzierten sich bis Freitagabend bereits mehr als 130 Politiker der konservativen Republikaner und ihrer Verbündeten von Fillon. Dessen Wahlkampf wird seit Wochen vom Verdacht belastet, er habe seiner Frau eine lukrative Scheinbeschäftigung auf Parlamentskosten verschafft. Auch in Umfragen war er abgerutscht und käme nach den derzeitigen Prognosen nicht in die entscheidende Stichwahl.
"Wenn er trotz allem weiter macht, (...) sind wir in einer Sackgasse", warnte die Europaabgeordnete Nadine Morano im Sender Franceinfo. Die erste Runde der Präsidentschaftswahl steht am 23. April auf dem Programm. Wegen der hohen Umfragewerte der Rechtspopulistin Marine Le Pen erregt der Wahlkampf auch international großes Interesse.
Vetrauensverlust aus den eigenen Reihen
Mehrere Politiker aus den eigenen Reihen brachten den 71-Jährigen Juppe als Ersatz ins Spiel. Der Bürgermeister von Bordeaux werde nicht kneifen, falls sich Fillon zurückziehe und er die einhellige Unterstützung seiner Partei bekomme, berichtete die französische Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf Juppes Umfeld. Allerdings ist unklar, ob die Republikaner-Partei sich hinter Juppe versammeln könnte, oder ob dann alte Lagerkämpfe wieder aufbrechen würden.
Parlamentsjob-Affäre setzt Le Pen unter Druck
Die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen ist in der Affäre um die Bezahlung von Assistenten im Europaparlament von Ermittlungsrichtern vorgeladen worden. Falls der Termin stattfindet und die Ermittlungsrichter genug Indizien für ein Fehlverhalten sehen, könnten sie dabei ein Verfahren gegen Le Pen einleiten.
Die Präsidentschaftskandidatin Le Pen will der Vorladung während des laufenden Wahlkampfes aber nicht nachkommen, wie der stellvertretende Vorsitzende ihrer Partei Front National, Florian Philippot, im Sender LCI bestätigte.
Ermittlungsverfahren gegen Le Pen
Die französische Justiz prüft schon länger, ob aus Parlamentsmitteln bezahlte Assistenten von FN-Europaabgeordneten in Wahrheit für die Partei tätig waren. Vor eineinhalb Wochen war gegen die Chefin von Le Pens Mitarbeiterstab ein Ermittlungsverfahren wegen Verschleierung von Untreue eingeleitet worden. Details der Vorwürfe sind nicht bekannt. Sieben Wochen vor der Präsidentschaftswahl in Frankreich sorgt der Fall für großes Aufsehen.
Philippot warf der Justiz vor, den Termin medienwirksam und im Hinblick auf die anstehende Wahl ausgewählt zu haben. Le Pen berufe sich auf ihre parlamentarische Immunität als Europaabgeordnete - die Ermittler können sie deshalb nicht dazu zwingen, der Vorladung zu folgen. Das EU-Parlament hatte am Donnerstag zwar Le Pens Immunität aufgehoben, dies gilt jedoch nur für ein anderes Verfahren, in dem es um die Verbreitung von Gewaltbildern geht.
Le Pen hatte vor eineinhalb Wochen selbst gesagt, dass sie während des Wahlkampfs keiner Vorladung nachkommen werde. Sie hatte die Vorwürfe mehrfach zurückgewiesen und erklärt, das Verfahren sei politisch motiviert. Gegenüber ihrer Anhängerschaft war es ihr bisher immer gelungen, Ermittlungen gegen sie als eine Kampagne politischer Gegner darzustellen.
Le Pen verweigert Rückzahlung
Die Pariser Staatsanwaltschaft hatte die Ermittlungen bereits Ende vergangenen Jahres an Ermittlungsrichter übergeben. Ins Rollen gebracht hatte den Fall die EU-Antibetrugsbehörde Olaf. Bei Le Pen hatte das Amt "schwere Unregelmäßigkeiten" festgestellt. Die Europaabgeordnete habe einem Mitarbeiter einen "rein fiktiven Arbeitsvertrag" ausgestellt. Eine Mitarbeiterin der französischen Rechtspopulistin arbeitete laut Olaf zudem nicht wie vorgeschrieben in der Volksvertretung, sondern in der Gegend von Paris für die "Front National". Das EU-Parlament hatte deshalb 339.000 Euro von Le Pen zurückgefordert - sie wehrt sich juristisch dagegen.
Die Franzosen wählen ihren neuen Staatschef in zwei Wahlgängen am 23. April und 7. Mai. Laut Umfragen kann Le Pen mit einem Einzug in die Stichwahl rechnen, würde dort derzeit aber klar verlieren.
Einer Umfrage zufolge könnte eine Kandidatur Juppes die Dynamik des Wahlkampfs zugunsten der Konservativen verändern. Fillon lag zuletzt in Umfragen für den ersten Wahlgang auf Platz drei hinter Le Pen und dem früheren Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, der unabhängig von den traditionellen Parteien antritt. Nach einer Erhebung des Instituts Odoxa würde Juppe sich dagegen an die Spitze setzen, knapp vor Macron und Le Pen.
Scheinbeschäftigungsaffäre um Frau und Kinder
Fillon war im November bei einer Vorwahl der bürgerlichen Rechten mit großem Vorsprung zum Kandidaten gekürt worden. Juppe hatte sich ebenfalls beworben, aber den Kürzeren gezogen. Fillons Lager hatte daher stets argumentiert, dass nur er als Kandidat legitimiert ist. Seine Anhänger sind für Sonntag zu einer Demonstration in Paris aufgerufen, um ihre Unterstützung zu bekunden. "Ich erwarte euch zahlreich, sehr zahlreich, um allen zu zeigen, was der Wille der Aktivisten Frankreichs ist", sagte Fillon in einer Videobotschaft.
Die Frau von Francois Fillon war jahrelang als parlamentarische Mitarbeiterin für ihren Mann angestellt, er beschäftigte zeitweise auch zwei seiner Kinder. Die Justiz ermittelt wegen des Verdachts der Hinterziehung öffentlicher Mittel. Am Donnerstag gab es deshalb eine Durchsuchung in Fillons Pariser Privatadresse. Für den 15. März ist Fillon bei Ermittlungsrichtern vorgeladen, dabei droht ihm die Eröffnung eines Verfahrens. Trotzdem will der Kandidat, der an diesem Samstag 63 Jahre alt wird, sich nicht zurückzuziehen. Er sprach von einer "politischen Ermordung".
"Er kann nicht mehr Kandidat sein, weil er keinen inhaltlichen Wahlkampf mehr führen kann", sagte der frühere Premierminister Dominique de Villepin im Sender Europe1. Fillons enger Verbündeter Bruno Retailleau, Fraktionschef der Republikaner im Senat, verteidigte den Kandidaten dagegen. "Es gibt keinen Plan B, das will ich meinen Freunden sagen", betonte er.