Erster Auftritt nach fünf Jahren

IS-Anführer Baghadi kündigt neue Anschläge an

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Nach dem militärischen Sieg über die Terrormiliz wird gerätselt, wo er sich aufhält.

Der mehrfach für tot erklärte IS-Chef Abu Bakr al-Bagdadi hat sich erstmals seit fast fünf Jahren wieder in einem Video gezeigt. In der mehr als 18 Minuten langen Aufnahme droht Al-Baghdadi dem Westen und seinen Verbündeten damit, der IS werde seinen Kampf gegen die "Ungläubigen" fortsetzen.

Die Terrorangriffe von Sri Lanka mit mehr als 250 Toten bezeichnete er als Vergeltung für die Zerstörung des vom IS ausgerufenen Kalifats in Syrien und im Irak: "Das ist Teil der Rache, die die Kreuzfahrer erwartet."
 
Al-Bagdadi sagt, dass seine Terrorgruppe nicht aufgeben werde. Die „Brüder unserer gefallenen Kämpfer werden Rache nehmen – so lange sie noch Blut in den Adern haben“. Es werde ganz sicher „einen neuen Kampf geben“, kündigte al-Bagdadi an. Er droht also mit neuen Anschlägen.
 
 
Zunächst war unklar, wann genau und wo das Video des IS-Medienarms Al-Furqan aufgezeichnet wurde. Al-Baghdadi erwähnt aber aktuelle Ereignisse der vergangenen Wochen. Anhänger des IS verbreiteten es am Montagabend über die üblichen Kanäle der Jihadisten im Internet. In dem Teil über Sri Lanka ist nur Al-Baghdadis Stimme zu hören, er selbst aber nicht zu sehen. Das könnte dafür sprechen, dass dieser erst nach der eigentlichen Videoaufnahme hinzugefügt wurde.
 
Weil es von Al-Baghdadi so wenig Aufnahmen und Lebenszeichen gibt, wurde er immer wieder der "unsichtbare Scheich" genannt. Er war zuletzt und zum bisher einzigen Mal im Juli 2014 in einer Videoaufnahme zu sehen gewesen. Sie zeigte ihn bei einer Freitagspredigt in einer Moschee der nordirakischen Stadt Mosul, die kurz zuvor von den Extremisten überrannt worden war. Damals hatte der IS gerade das Kalifat ausgerufen und Al-Baghdadi zu dessen Oberhaupt erklärt.

IS hat gesamtes Herrschaftsgebiet verloren

Mittlerweile hat der IS sein gesamtes früheres Herrschaftsgebiet in Syrien und im Irak wieder verloren. In diesem Frühjahr nahmen Truppen der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) unter kurdischer Führung nach wochenlangen Kämpfen die letzte IS-Hochburg Baghouz im Osten Syriens ein. Die von den USA angeführte internationale Anti-IS-Koalition unterstützte die Offensive aus der Luft.
 
Die Angriffe von Sri Lanka seien Rache für Baghouz, sagte Al-Baghdadi in dem neuen Video. Sie hätten die Herzen der Muslime erfreut. Der IS hatte die Anschläge mit mehr als 250 Toten in der vergangenen Woche für sich reklamiert.
 
Dem als "Kreuzfahrer" bezeichneten Westen drohte Al-Baghdadi mit einem "Abnutzungskrieg" und erklärte weiter: "Sie müssen wissen, dass der Jihad bis zum Tag des Jüngsten Gerichts weitergeht." Die Standfestigkeit der IS-Anhänger etwa in der Schlacht um Baghouz habe gezeigt, dass diese im Kampf den längeren Arm hätten. Er erwähnt auch den Sieg des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu bei der Wahl Anfang April sowie den Sturz der langährigen Machthaber Abdelaziz Bouteflika in Algerien sowie Omar al-Bashir im Sudan.

Baghdadi mit Waffe im Bild

In dem Video sitzt Al-Baghdadi in einem Raum auf dem Boden vor einer Waffe und spricht zu mindestens drei IS-Anhängern, deren Gesichter jedoch nicht zu erkennen sind. Schon seit langem wird gerätselt, wo sich der 47 Jahre alte IS-Chef aufhält. In der Vergangenheit hatte es mehrfach Meldungen gegeben, er sei bei Angriffen getötet oder verletzt worden. So meldete Moskau vor knapp zwei Jahren, er sei in der damaligen syrischen IS-Hochburg Al-Raqqa bei einem russischen Luftangriff ums Leben gekommen. Dafür gab es aber nie Belege.
 
In dem neuen Video sieht er im Vergleich zur Aufnahme aus dem Jahr 2014 deutlich gealtert aus. Er trägt einen langen grau-rötlichen Bart. Verletzungen sind ihm aber äußerlich nicht anzusehen. In Medienberichten hieß es, er sei unter anderem an Diabetes erkrankt.
 
Mit dem von den USA ausgesetzten Kopfgeld von 25 Millionen Dollar (rund 22 Millionen Euro) ist Al-Baghdadi einer der meist gesuchten Terroristen der Welt. Der Anti-IS-Koalition liegen nach eigenen Angaben keine Informationen über den Aufenthaltsort des IS-Chefs vor.

Lebenszeichen von "Kalif" Abu Bakr al-Baghdadi

Sein "Kalifat" ist zerschlagen, sein Verbleib war lange ein Rätsel, doch jetzt gibt es ein Lebenszeichen von IS-Führer Abu Bakr al-Baghdadi: Am Montag veröffentlichte die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) ein Video, in dem Al-Baghdadi die Einnahme der letzten IS-Bastion im Osten Syriens im März anspricht. "Die Schlacht um Baghouz ist vorbei", sagt Al-Baghdadi.
 
In dem Video sitzt Al-Baghdadi, auf dessen Kopf die USA eine Prämie in Höhe von 25 Millionen Dollar (22,5 Millionen Euro) ausgesetzt haben, im Schneidersitz auf einer Art Matratze und spricht mit drei Männern, deren Gesichter unkenntlich gemacht wurden. Sein langer grauer Bart scheint teilweise mit Henna gefärbt, er spricht langsam, unterbricht seine Sätze häufig für mehrere Sekunden. Wann genau und wo das Video aufgenommen wurde, blieb zunächst unklar. Versteckt sich der selbst ernannte Kalif mit seinen letzten Kämpfern in der syrischen Wüste, ist er im Irak untergetaucht oder konnte er ins Exil entwischen?
 
Soweit bekannt, trat der 47-Jährige nur einmal in der Öffentlichkeit auf: Anfang Juli 2014, als er von der Kanzel der Al-Nuri-Moschee in der nordirakischen Großstadt Mossul den "Gehorsam" aller Muslime gegenüber seinem "Kalifat" in Syrien und dem Irak einforderte.
 
Seitdem veröffentlichte seine Gruppe in unregelmäßigen Abständen Audiobotschaften, die von Al-Baghdadi stammen sollen. Doch wurde der Iraker, der an Diabetes leidet, nicht wieder in der Öffentlichkeit gesehen. Mehrfach wurde er bereits für tot erklärt, mindestens einmal wurde er verletzt.

"Nur von drei Menschen umgeben"

"Er ist nur von drei Menschen umgeben: Seinem älteren Bruder Jumua, seinem Fahrer und Leibwächter Abdellatif al-Juburi, den er seit seiner Kindheit kennt, und seinem Kurier Saud al-Kurdi", sagte der Jihadismus-Experte Hisham al-Hashemi im März. Er vermutete die vier in der weitläufigen Badia-Wüste im Zentrum Syriens.
 
Geboren wurde Al-Baghdadi 1971 als Sohn einer armen Familie im zentralirakischen Samarra unter dem Namen Ibrahim Awad al-Badri. Als Bub begeisterte er sich für Fußball und träumte davon, Anwalt oder Soldat zu werden, doch seine mangelhaften Noten und seine schlechten Augen verhinderten beides. So studierte er schließlich in Bagdad Theologie, bevor er nach der US-Invasion 2003 als Anführer einer Jihadistengruppe in den Untergrund ging.
 
Die Journalistin Sofia Amara, die einen Dokumentarfilm über ihn gedreht hat, sagt, er mache nicht den Eindruck eines "brillanten Mannes", sondern erscheine eher als "geduldig und arbeitsam". Doch habe der "geheime Planer" schon früh "eine sehr klare Vorstellung" von der Organisation gehabt, die er schaffen wollte. Als er 2004 im Februar von der US-Armee im Gefängnis von Bucca inhaftiert wurde, knüpfte er dafür wichtige Kontakte.

Gefängnis im Südirak ist "Universität des Jihad"

Das Gefängnis im Südirak galt als "Universität des Jihad", da dort radikale Islamisten mit Militär- und Geheimdienstleuten des gestürzten Baath-Regimes von Saddam Hussein zusammenkamen. "Alle haben gemerkt, dass dieser schüchterne Typ ein feiner Stratege ist", sagt Amara über Al-Baghdadis Zeit in Bucca.
 
Als er im Dezember 2004 aus Mangel an Beweisen freikam, schloss er sich dem Al-Kaida-Führer Abu Musab al-Zarqawi an. Als erst Al-Zarqawi und dann sein Nachfolger getötet wurden, übernahm der einstige Theologiestudent aus Samarra 2010 unter dem Namen Abu Bakr al-Baghdadi die Führung der Extremisten im Irak.
 
Indem er frühere Offiziere Saddam Husseins anwarb, machte er aus seiner Guerillagruppe eine schlagkräftige Truppe und nannte sie Islamischer Staat (IS). Sie überrannte im Sommer 2014 die nordirakische Großstadt Mosul und drang innerhalb weniger Wochen bis vor Bagdad vor.
 
Doch mit Gräueltaten und blutigen Anschlägen brachte er viele Iraker und Syrer sowie die internationale Gemeinschaft gegen sich auf. In den vergangenen Jahren folgte eine Niederlage auf die andere, und nach dem Verlust des letzten Dorfs in Ostsyrien bleiben dem IS-Führer nur noch einige versprengte Zellen.
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