Der Leiter der türkischen Religionsbehörde sieht eine Verbindung zur Gülen-Bewegung.
Die türkische Religionsbehörde Diyanet hat die neu eröffnete liberale Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin scharf kritisiert. Bei derartigen Praktiken, die nicht mit den "grundlegenden Quellen" des Islam vereinbar seien, handle es sich um "nichts anderes als einen Versuch zur Verfälschung der Religion", erklärte der Diyanet-Direktor Mehmet Görmez am Dienstagabend.
Dies falle nicht unter die Glaubens- und Meinungsfreiheit. Es handle sich ganz offensichtlich "um ein Projekt des Religionsumbaus, das seit Jahren von Fetö und ähnlichen verurteilungswürdigen Organisationen vorangetrieben wird", erklärte Görmez. Als "Fethullah-Terrororganisation" (Fetö) wird in der Türkei die Bewegung des in den USA lebenden islamischen Predigers Fethullah Gülen bezeichnet, die für den versuchten Militärputsch vom vergangenen Juli verantwortlich gemacht wird.
Ort des liberalen Islam
Die Berliner Anwältin und Imamin Seyran Ates hatte am Freitag in einer protestantischen Kirche im Stadtteil Moabit eine Moschee eröffnet, in der Frauen und Männer nebeneinander beten können. Sie soll Muslimen aller Glaubensrichtungen offenstehen. Die Frauenrechtlerin will damit einen Ort des liberalen Islam schaffen und eine Alternative zu den Moscheen der konservativen Islamverbände bieten.
Ates wies jede Verbindung zur Gülen-Bewegung zurück. "Wir haben mit denen Null zu tun", sagte Ates der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch. "Wir sind denen viel zu progressiv, viel zu liberal." Zu einem türkischen Medienbericht, der die Moschee ebenfalls in Verbindung zur Gülen-Bewegung gebracht hatte, sagte Ates: "Das sind Nachrichten, die mich zur Zielscheibe machen, indem sie mich zur Terroristin erklären."
Imamin unter Polizeischutz
Nach eigenen Angaben stand Ates schon vor der Moschee-Eröffnung wegen ihrer Tätigkeit als Anwältin unter Polizeischutz. Sie sagte am Mittwoch, sie werde nach wie vor vom Landeskriminalamt beschützt. "Jetzt erst recht." Sie wünsche sich, "dass die Muslime gegen den islamistischen Terror einstehen und das friedliche Gesicht des Islams zeigen". Sie fügte hinzu: "Wir sind jetzt für die friedliche Seite unserer Religion in Aktion getreten, weil wir es nicht mehr den Konservativen, den Orthodoxen und Radikalen überlassen dürfen."
Der Vorsitzende der Gülen-nahen Stiftung Dialog und Bildung, Ercan Karakoyun, distanzierte sich nach der Eröffnung von der Moschee. "Diese Moschee entspricht nicht unserer Vorstellung des Islams", sagte Karakoyun, der angab, Morddrohungen erhalten zu haben, nachdem ihn ein türkischer Fernsehsender fälschlicherweise mit dem Projekt in Verbindung gebracht hatte.
"Nein zu liberalen Moscheen"
In der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee beten Männer und Frauen nebeneinander. Das Gotteshaus steht Sunniten, Schiiten und Aleviten offen. Das erste Freitagsgebet leiteten ein Mann und eine Frau gemeinsam. Die Imamin trug kein Kopftuch.
Auch die oberste Fatwa-Behörde in Ägypten, Dar al-Iftaa, kritisierte die Moschee. "Nein zu liberalen Moscheen", teilte Dar al-Iftaa auf Facebook mit. "Frauen können nicht in einer Reihe neben Männern beten. Frauen ist es nicht erlaubt, ohne Schleier zu beten. Frauen ist es nicht gestattet, Imam zu sein, wenn dort Männer beten."
Die Berliner Moschee ist benannt nach dem andalusischen Arzt und Philosophen Ibn Rushd (1126-1198), auch als Averroes bekannt, und nach dem deutschen Dichter Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) als Anerkennung für seine Auseinandersetzung mit dem Islam.