Mitten in Regierungskrise

Israels Generalstaatsanwalt klagt Netanyahu wegen Korruption an

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Mitten in Regierungskrise entscheidet Generalstaatsanwalt über Anklage.

Jerusalem. Israels rechtskonservativer Ministerpräsident Benjamin Netanyahu soll wegen Korruption vor Gericht. Das Justizministerium teilte am Donnerstag mit, Netanyahu solle wegen Betrugs und Untreue sowie Bestechlichkeit angeklagt werden. Die Anklagen kommen inmitten einer anhaltenden politischen Krise in Israel.
 
Netanyahu hatte in der Vergangenheit stets alle Vorwürfe zurückgewiesen. Er sprach von einer "Hexenjagd" gegen sich und seine Familie und kündigte an, er werde alle Anklagepunkte widerlegen. Einen Rücktritt im Fall einer Anklage hatte er bereits vorab ausgeschlossen.
 
Rechtlich gesehen muss Netanyahu nach Angaben des Israelischen Demokratie-Institutes (IDI) als Regierungschef nicht zurücktreten. Sollte er wegen Bestechlichkeit verurteilt werden, drohen ihm nach Angaben des Rechtsprofessors Gad Barzilai von der Universität Haifa bis zu zehn Jahre Haft. Im Falle einer Verurteilung wegen Betrugs und Untreue wäre die Höchststrafe drei Jahre Gefängnis.
 

Schwere Korruptionsvorwürfe

 
In einem der Fälle geht es um den Verdacht, dass Netanyahu als Kommunikationsminister dem Unternehmen Bezeq rechtliche Begünstigungen gewährt habe. Im Gegenzug sollte in der zu dem Konzern gehörenden Nachrichtenwebsite "Walla" positiv über ihn berichtet werden. Netanyahu gab das Ministeramt 2017 ab.
 
Zudem geht es um Vorwürfe, Netanyahu und seine Familie hätten in den Jahren 2007 bis 2016 von zwei Geschäftsleuten Zigarren, Champagner und Schmuck im Wert von insgesamt einer Million Schekel (umgerechnet rund 230.000 Euro) angenommen. Nach Polizeiangaben handelte es sich dabei um illegale Schenkungen des Hollywood-Produzenten Arnon Milchan und des australischen Unternehmers James Packer.
 
Im Gegenzug soll Netanyahu sich unter anderem für ein Gesetz starkgemacht haben, das Milchan Steuervergünstigungen in Millionenhöhe verschaffen sollte. Außerdem habe er ihm dabei geholfen, ein neues US-Visum zu bekommen.
 
Zudem soll Netanyahu sich darum bemüht haben, sich in einem Deal mit einem Medienmogul eine positivere Berichterstattung in der regierungskritischen Zeitung "Yedioth Ahronoth" zu sichern. Im Gegenzug habe Netanyahu Hilfe dabei in Aussicht gestellt, den Einfluss der auflagenstarken Gratiszeitung "Israel HaYom" zu schwächen, die lange als sein Sprachrohr galt.
 

Anklage bereits im Parlament vorgelegt

 
Nach Angaben des Justizministeriums hat Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit die Anklagen bereits dem Parlamentspräsidenten vorgelegt. Nach Angaben von Laut Yuval Shani vom Israelischen Demokratie-Institut bleiben Netanyahu nun regulär 30 Tage Zeit, um beim Parlament Immunität vor Strafverfolgung zu beantragen.
 
Allerdings verfügt Israel nach der Parlamentswahl im September noch nicht über eine neue Regierung. Aktuell droht bereits eine weitere Wahl, weil sich die Parteien nicht auf eine Regierungskoalition einigen können.
 
Shani sagt, ohne funktionierende Regierung gebe es auch kein funktionierendes Parlament. Und ohne funktionierendes Parlament könne es wiederum keine Entscheidung über eine Immunität Netanyahus geben – und keinen Prozess.
 
Sein IDI-Kollege Amir Fuchs sagt dagegen, das Parlament sei durchaus in der Lage, das zuständige Komitee für die Entscheidung zu bilden. Er schätzt, dass es bis zu einem etwaigen Prozessbeginn vor dem Jerusalemer Bezirksgericht mindestens ein halbes Jahr dauern könnte.
 
Im September hatten die Bürger Israels bereits zum zweiten Mal innerhalb von rund fünf Monaten ein neues Parlament gewählt. Netanyahu scheiterte zwei Mal mit der Regierungsbildung. Am Mittwoch gab auch Ex-Militärchef Benny Gantz vom oppositionellen Mitte-Bündnis Blau-Weiß sein Mandat für eine Regierungsbildung zurück. Präsident Reuven Rivlin hatte zuvor für die Bildung einer großen Koalition mit Netanyahus Likud und Blau-Weiß geworben.
 
Nun kann jeder Abgeordnete versuchen, eine Mehrheit von 61 der insgesamt 120 Parlamentarier für eine Regierungskoalition zu finden. Scheitert auch dies innerhalb der nächsten 21 Tage, muss Israel zum dritten Mal innerhalb eines Jahres ein Parlament wählen. Die Neuwahl könnte nach Medienberichten in der ersten Märzhälfte stattfinden.
 
Auch Gantz oder Netanyahu könnten in den kommenden drei Wochen noch eine Mehrheit von 61 Abgeordneten finden. Es war allerdings zunächst unklar, ob Netanyahu nun überhaupt noch mit der Bildung einer Regierung beauftragt werden könnte.
 
Die Regierungsbildung gestaltet sich aktuell besonders schwierig, weil weder das rechts-religiöse noch das Mitte-Links-Lager über eine Mehrheit verfügt. Blau-Weiß war mit 33 von 120 Mandaten als stärkste Kraft aus der Wahl am 17. September hervorgegangen. Der Likud kam auf 32 Mandate.
 

Netanyahu: Anklagen gegen mich sind "versuchter Putsch"

 
 Israels rechtskonservativer Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat die Korruptionsanklagen scharf kritisiert. Diese seien ein "versuchter Putsch" gegen einen Regierungschef, sagte er am Donnerstag. Er respektiere die Justizbehörden, aber man "muss blind sein, um nicht zu sehen, dass etwas Schlechtes bei der Polizei und im Büro der Staatsanwaltschaft vor sich geht".
 
Ziel der Ermittlungen sei gewesen, eine rechte Regierung zu stürzen. Netanyahu erklärte, weiter als Ministerpräsident dienen zu wollen. Er warf den zuständigen Behörden unsaubere Arbeit bei den Ermittlungen vor. Er forderte eine unabhängige Untersuchung der Ermittlungsarbeit.
 
Netanyahu soll wegen Korruption vor Gericht. Ihm würden Bestechlichkeit, Betrug und Veruntreuung vorgeworfen, teilte Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit am Donnerstag mit. Dies ist das erste Mal in der Geschichte Israels, das ein amtierender Ministerpräsident direkt vor einer Anklage steht.
 
Für Bestechung drohen bis zu zehn Jahre Haft, für Betrug und Veruntreuung bis zu drei Jahre. Netanyahu hatte die Vorwürfe stets als politisch motivierte Hexenjagd zurückgewiesen.
 
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