In Umfragen vorne

Italien: Postfaschistin Giorgia Meloni greift nach der Macht

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Chefin der Rechtspartei Fratelli d' Italia hat gute Chancen, Ministerpräsidentin zu werden 

Sie hat die besten Karten in der Hand, um im Herbst die Nachfolge von Premier Mario Draghi anzutreten. Die rechtsnationalistische Giorgia Meloni könnte zur ersten Regierungschefin Italiens aufsteigen. An Selbstbewusstsein mangelt es der 45-jährigen Römerin nicht. Unter ihrer Führung wurde die kleine 2013 gegründete postfaschistische Gruppierung Fratelli d Italia (FdI - Brüder Italiens) zu der laut Umfragen stärksten Einzelpartei Italiens.

Meloni kann darauf hoffen bei den Parlamentswahlen am 25. September, die Zahl ihrer Parlamentarier gegenüber den letzten Wahlen im März 2018 zu versechsfachen. Ihre Partei hat gute Chancen, zur stärksten Kraft des Mitte-Rechts-Bündnisses, zu dem auch die Lega von Ex-Innenminister Matteo Salvini und der Forza Italia von Ex-Premier Silvio Berlusconi gehören, aufzusteigen. Das vereinte Mitte-Rechts-Lager wird laut Umfragen mit rund 45 Prozent der Stimmen ein klarer Sieg prognostiziert.

"Königin der Postfaschisten" 

"Wer bei den Parlamentswahlen mehr Stimmen gewinnt, regiert Italien. Ich bin dazu bereit, meine Partei ist dazu bereit", stellte Meloni gegenüber ihren Bündnispartnern klar den Führungsanspruch. Indiskretionen zufolge hat Meloni die Ministerliste, mit der sie Italien nach den Wahlen regieren will, bereits fertiggestellt. Ihre Ambition ist ein rotes Tuch für Salvini, der ebenfalls gern in das Büro des Regierungschef im Palazzo Chigi in Rom einziehen würde. Im Gegensatz zu Melonis Partei hat die Lega jedoch seit den letzten Parlamentswahlen stark an Popularität verloren und kommt aus derzeitiger Sicht nur auf 17 Prozent der Stimmen.

"Königin der Postfaschisten" wird die blonde Rechtspopulistin genannt, die bereits auf eine jahrzehntelange politische Karriere zurückblickt. An Ambition fehlt es Meloni nicht. "Ich habe zwar Herzklopfen bei dem Gedanken, das Land zu regieren, doch was täte ich in der Politik, wenn ich mich Herausforderungen nicht stellen wollte" , kokettierte der neue Star im den italienischen Rechtslager.

Die unverheiratete Mutter einer fünfjährigen Tochter wirkt klein und zierlich, doch ihr Aussehen sollte nicht täuschen. Ihre Auftritte sind schrill und messerscharf. Ihr Redetalent, ihr starker römischer Akzent und ihre kräftige Präsenz gehören zu den herausstechenden Merkmalen Giorgia Melonis. Die gebürtige Römerin aus dem römischen Arbeiterviertel Garbatella wettert gegen illegale Einwanderung, hohe Steuern und die Brüsseler Technokratie. Ziel ist es, die italienische "Identität" vor der Globalisierung zu verteidigen.

"Ich bin schon rechts geboren" 

In ihren Wahlreden verweist Meloni gern auf Italiens christliche Wurzeln und die Werte der traditionellen Familie. In dieser Hinsicht wird sie oft mit Marine Le Pen, der Chefin des französischen Rassemblement National (RN) verglichen.

"Ich bin schon rechts geboren", witzelt Meloni über ihre ersten politischen Schritte. Mit 15 Jahren trat sie der Jugendbewegung des neofaschistischen Movimento Sociale Italiano (MSI) bei. Später sammelte sie politische Erfahrung bei der Nachfolgepartei Alleanza Nazionale von Gianfranco Fini, einem langjährigen Verbündeten Berlusconis. Seit 2006 ist Meloni Abgeordnete im Parlament. 2008 wurde sie unter Berlusconi im Alter von 31 Jahren Jugend- und Sportministerin und damit zur jüngsten Ministerin in der Geschichte Italiens.

Seit 2014 steht sie an der Spitze der 2013 gegründeten Brüder Italiens. Der Parteiname stammt aus der Anfangsstrophe der italienischen Nationalhymne Fratelli d' Italia und unterstreicht die patriotische Ausrichtung der Partei. Zu Melonis Sympathisanten zählen längst nicht nur Nostalgiker des faschistischen Diktators Benito Mussolini. Mit Slogans gegen illegale Migration, Globalisierung und die EU spricht sie auch viele moderate Rechtswähler an. Ihre Partei ist schon lange kein politischer Außenseiter mehr, sondern ein Fixstern im Mitte-Rechts-Block, und hat die seit Jahren dahinsiechende Forza Italia um Ex-Premier Silvio Berlusconi in den Schatten gedrängt. Auch für einen gewandten Rechtspolitiker wie Salvini ist Meloni inzwischen zu einer gefährlichen Konkurrenz geworden.

Meloni punktete in den vergangenen eineinhalb Jahren auch deshalb, weil sie als einzige Parlamentspartei nicht die "Notstandsregierung" von Ex-EZB-Chef Draghi unterstützte, sondern in der Opposition blieb. Ihr Kalkül rentierte sich: Meloni und ihre Partei profitieren inzwischen zunehmend von der wachsenden Unzufriedenheit vieler Wähler angesichts von Inflation, explodierender Energiepreisen und der verschlechterten Wirtschaftskonjunktur. Auch die Forderung nach einem besseren Schutz der Grenzen mit dem Slogan "Italien zuerst" kommt bei den Wählern gut an. Ob ihre viel beachtete Wahlkampagne ihr tatsächlich den Premier-Sessel bescheren wird, ist noch offen. Fest steht, dass Meloni dieses Ziel fest im Blick hat.
 

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