Türken wollen verhindern, dass Griechenland Flüchtlinge zurückschickt.
Eine Lösung in der humanitären Krise an der türkisch-griechischen Grenze scheint am Donnerstag weiter in die Ferne gerückt zu sein. Der türkische Innenminister Süleyman Soylu besuchte gestern die Grenzstadt Edirne im Dreiländereck Türkei–Griechenland–Bulgarien.
Spezialeinheiten
Hier halten sich geschätzte 5.000 Flüchtlinge auf, die in die EU wollen. In einer Pressekonferenz verkündete Soylu jetzt, 1.000 zusätzliche Polizisten an die griechische Grenze schicken zu wollen, die „verhindern“ sollen, dass griechische Grenzpolizisten Flüchtlinge „zurückdrängen“. Es werde sich dabei um vollausgerüstete Spezialeinheiten handeln, die entlang des Grenzflusses Evros stationiert werden, präzisierte der Minister sein Vorhaben.
Brutales Vorgehen
Immer wieder gelingt es Flüchtlingen, den an manchen Stellen nur 50 Meter breiten Grenzfluss zu überqueren. Alleine in der Nacht auf Donnerstag wurden bei Edirne 200 Flüchtlinge von griechischen Grenzbeamten in die Türkei zurückgeführt. „Wir waren schon fünfmal in Griechenland“, erzählen uns drei Afghanen, die Donnerstagfrüh wieder in der Türkei gelandet sind. Sie berichten von Schlägen durch griechische Polizisten. Trotzdem: Sie hoffen, irgendwann doch bleiben zu können.
Eskalation
Eine neue Stufe der Eskalation hatte es bereits am Mittwoch gegeben. Mehrere Flüchtlinge hatten gewaltsam versucht, den Grenzzaun bei Pazarkule zu durchbrechen. Dabei sollen mindestens elf geflüchtete Menschen verletzt worden sein. Griechenland dementiert hingegen, Gewalt gegen Flüchtlinge auszuüben.
Schallenberg: "Beitrittsverhandlungen mit der Türkei komplett beenden"
oe24.TV: Wie schätzen Sie die Situation an der türkisch-griechischen Grenze ein?
Alexander Schallenberg: Wir haben hier eine Situation, wo ein Drittstaat (die Türkei; Anm. d. Red.) ganz bewusst eine Krise hervorruft. Das ist zynisches, staatlich organisiertes Schlepperwesen, was hier stattfindet.
OE24.TV: Erpresst der türkische Präsident Erdogan die Europäische Union?
Schallenberg: Absolut! Wir haben einen Migrationspakt mit der Türkei, aber die Türken werden jetzt wortbrüchig und versuchen, von einer Situation abzulenken, die momentan in Syrien geschieht.
OE24.TV: Wie soll es jetzt weitergehen mit diesem Flüchtlingsdeal?
Schallenberg: Wir brauchen eine Art von Deal. Wir müssen anerkennen, dass die Türken eine große Last tragen. Wir wollen nicht, dass sich 100.000 in Bewegung Richtung Grenze setzen.
OE24.TV: Wäre es nicht jetzt ein guter Zeitpunkt, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gänzlich einzustellen?
Schallenberg: Wir sind schon länger der Meinung, dass diese Beitrittsverhandlungen in Wirklichkeit längst tot und begraben sind, weil seit Jahren kein Verhandlungskapitel eröffnet wird. Und dass man da jetzt einfach den richtigen und logischen Schritt setzt: Erklären wir die Beitrittsverhandlungen in Gottes Namen für beendet.
Interview: Niki Fellner