Scheidender Premier Medwedew

Kreml: Chodorkowski-Urteil wird überprüft

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Paukenschlag im Kreml als Reaktion auf Treffen mit Oppositionsvertretern.

Unmittelbar nach der Präsidentschaftswahl in Russland hat der scheidende Staatschef Dmitri Medwedew überraschend die Justiz angewiesen, die Urteile gegen den Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski zu prüfen. Die Anwälte des früheren Ölunternehmers reagierten am Montag skeptisch auf die Anordnung des Präsidenten. Auch Menschenrechtsaktivisten sahen kaum Hoffnung, dass Chodorkowski vor dem Ende seiner Haftzeit im Jahr 2016 freikommt.

Medwedew habe Generalstaatsanwalt Juri Tschaika beauftragt, bis 1. April "die Rechtmäßigkeit und die Richtigkeit der Verurteilung" von 32 russischen Staatsbürgern zu überprüfen, teilte der Kreml mit. Neben dem Ölunternehmer Chodorkowski betrifft die Überprüfung der Urteile demnach auch dessen früheren Geschäftspartner Platon Lebedew.

Ein Treffen mit Oppositionsvertretern habe Medwedew zu der Anordnung bewogen, teilte der Kreml mit. Bei der Zusammenkunft am 20. Februar hatten Vertreter von nicht registrierten und oppositionellen Parteien eine Liste mit den Namen von ihrer Meinung nach politischen Gefangenen übergeben.

Die Freilassung politischer Gefangener ist eine der zentralen Forderungen der Protestbewegung, die sich nach den umstrittenen Parlamentswahlen im Dezember gegen die Führung um Medwedew und seinen Amtsnachfolger, Regierungschef Wladimir Putin, formiert hat. Die Anordnung des Staatschefs, die Urteile zu prüfen, wurde nur wenige Stunden vor einer neuen Kundgebung der Opposition in Moskau bekannt. "Die Macht hat eine Geste des guten Willens gemacht, um die Opposition zu beschwichtigen", sagte der Politikexperte Igor Bunin.

"Die Affäre Chodorkowski ist eine Affäre der Ära Putin. Er ist ein Gefangener Putins", sagte einer der Anwälte des Ex-Ölmagnaten, Juri Schmidt, der Nachrichtenagentur AFP. "Solange Putin nicht das Signal (für eine Abänderung der Urteile) gibt, wird die Staatsanwaltschaft zu dem Schluss kommen, dass die Urteile fundiert sind", ergänzte er. Die Anordnung Medwedews könne lediglich eine "Formalität" sein, die nichts zu bedeuten habe. Bisher hatten sich stets alle Hoffnungen auf eine vorzeitige Entlassung oder Begnadigung des einst reichsten Mannes Russlands zerschlagen.

Chodorkowski und sein Geschäftspartner Lebedew waren 2003 festgenommen worden. In einem ersten Prozess wurden sie wegen Betrugs und Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe von acht Jahren verurteilt. Kurz vor dem Ende ihrer Haftzeit wurden sie in einem umstrittenen zweiten Prozess im Dezember 2010 wegen Unterschlagung und Geldwäsche erneut verurteilt und sollen nun bis zum Jahr 2016 in Haft bleiben.

Kritiker machen Putin für die Verurteilungen verantwortlich. Chodorkowski hatte sich vor seiner Festnahme zunehmend für die Opposition stark gemacht und eigene Interessen im Energiesektor vertreten, die denen staatlicher Unternehmen zuwider liefen.

Sie habe erhebliche Zweifel daran, dass eine Freilassung Chodorkowskis bevorstehe, sagte die renommierte Menschenrechtsaktivistin Ljudmila Alexejewa. Sie kritisierte das "politische Spielchen" nach der Präsidentschaftswahl, aus der Putin am Sonntag als Sieger hervorging. "Ich habe sehr wenig Hoffnung", sagte auch Irina Jassina, die Chefin einer von Chodorkowski im Jahr 2000 ins Leben gerufenen Stiftung zur Förderung der Zivilgesellschaft.

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