"Renaissance der Atomkraft"

Macron: Frankreich will bis zu 14 neue Atomreaktoren bauen

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Ankündigung von Frankreichs Präsident Macron.

EU-weit/Brüssel. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat einen massiven Ausbau der Atomkraft angekündigt. Sechs neue Druckwasserreaktoren, sogenannte EPR-Reaktoren, sollten gebaut sowie die Errichtung von acht weiteren Kraftwerken bis 2050 geprüft werden, sagte Macron am Donnerstag im ostfranzösischen Belfort. "Das ist die Renaissance der französischen Atomkraft." Die Atomenergie stehe im Zentrum der französischen Klimaschutzpolitik, so Macron.

Frankreich ist nach den USA der zweitgrößte Atomstromproduzent der Welt. Aktuell verfügt das Land über 56 Kraftwerke, auch nach der Katastrophe im japanischen Fukushima 2011 hielt Frankreich an der Atomkraft fest. Macron verkündete die neuen Energie- und Atompläne in Belfort am Produktionsstandort der derzeit leistungsfähigsten Turbinen für Atomkraftwerke. 

So argumentiert Macron

Macron begründete das entschiedene Festhalten an der Atomkraft damit, dass auf diese Weise die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringert werde. Nur so ließe sich das Ziel der CO2-Neutralität bis 2050 erreichen. "Wir nehmen unser Schicksal mit Blick auf die künftige Energieproduktion wieder selbst in die Hand", sagte Macron.

Die Umweltorganisation Greenpeace nannte die Ankündigung "komplett unvernünftig" und verwies darauf, dass der Prototyp der EPR-Reaktoren in Flamanville noch immer nicht am Netz sei. Der Grüne Präsidentschaftskandidat Yannick Jadot warf Macron ein Wahlkampfmanöver vor und kritisierte einen "geplanten Verschleiß" in der Energieversorgung.

Die neuen Atommeiler sollen demnach vom staatlichen Versorger EDF gebaut und betrieben und mit Milliarden Euro öffentlicher Mittel gefördert werden. Zugleich werde die Laufzeit aller bestehenden Kraftwerke verlängert, wenn die Sicherheit es erlaube. Es solle kein Kraftwerk mehr vom Netz gehen, wenn es keine zwingenden Sicherheitsgründe dafür gebe. Der Stromkonzern EDF sei angewiesen worden zu prüfen, ob die Laufzeit der Atomkraftwerke über 50 Jahre hinaus verlängert werden kann. 

Macron: "Baustelle des Jahrhunderts"

"Die Ankündigung von Laufzeitverlängerungen bedeutet, dass das atomare Risiko in Europa erhöht wird und das können wir nicht hinnehmen", kritisierte Martin Litschauer, Anti-Atomsprecher der österreichischen Grünen. Belgien habe etwa mit der Verlängerung der Laufzeiten für zwei umstrittene Atomreaktoren gegen EU-Recht verstoßen. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Urteil von 2019. Die entsprechende Genehmigung für die Meiler Doel 1 und Doel 2 bei Antwerpen hätte nicht ohne Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) erteilt werden dürfen. Sie gestattet es, die Reaktoren bis 2025 statt bis 2015 zu betreiben. "Wir fordern daher, dass auch Frankreich diese grenzüberschreitenden UVP ́s durchführt und Österreich beteiligt wird, bevor es zu Laufzeitverlängerungen kommt", so Litschauer.

"Wir sind glücklich, dass wir in Frankreich auf eine starke nukleare Industrie zählen können, reich an Fachwissen und mit Hunderttausenden Arbeitsplätzen", verkündete Macron sein Vorhaben. Baubeginn für die neuen Atomkraftwerke sei 2028. Der erste Reaktor der neuen Generation EPR werde aber erst 2035 ans Netz gehen. Dies werde "die Baustelle des Jahrhunderts", sagte Macron.

Parallel kündigte Macron einen Ausbau der erneuerbaren Energie an, um die lange Bauzeit der neuen Atomkraftwerke zu überbrücken. "Da es 15 Jahre dauert, einen Reaktor zu bauen, müssen wir den Anteil erneuerbarer Energien erhöhen", sagte Macron. Deswegen sollten 50 Offshore-Windparks gebaut werden. Bisher hat das küstenreiche Land noch keinen funktionierenden Windpark im Meer.

"Wir müssen ehrlich eingestehen, dass wir da spät dran sind", sagte Macron. Die Kapazität der Windkraftanlagen auf dem Land solle bis 2050 verdoppelt werden, fügte er hinzu. Ursprünglich hatte Frankreich eine Verdopplung der aus Windkraft gewonnenen Energie innerhalb von zehn Jahren angestrebt. 

Bürgermeister besser in Entscheidungen eingebunden

Macron zeigte Verständnis für diejenigen, die Verschandelung der Landschaften befürchteten. Künftig sollten Bürgermeister besser in die Entscheidungen über Standorte eingebunden werden, bürokratische Hürden sollten wegfallen, sagte der Präsident.

Generell sei davon auszugehen, dass der Energiebedarf um bis zu 60 Prozent steigen werde, sagte der Präsident und nannte unter anderem die Zunahme von Elektroautos und die Produktion von Wasserstoff.

Es sei nicht möglich, ausschließlich auf erneuerbare Energien zu setzen, da diese nicht stabil genug seien, sagte Macron. An der Finanzierung der neuen Atomkraftwerke werde der Staat sich beteiligen. Der Betreiber EDF geht von 50 Milliarden Euro für den Bau von sechs EPR-Reaktoren der nächsten Generation aus. 

Schadhafte Atomkraftwerke bereiten Sorgen

Aktuell bereiten dem Stromkonzern EDF jedoch schadhafte Atomkraftwerke Sorgen. Wegen möglicher Korrosionsschäden gingen im vergangenen Jahr bereits fünf Kraftwerke für Wartungsarbeiten vom Netz. Vor drei Tagen kündigte EDF eine Revision von drei weiteren Kraftwerken wegen möglicher Schäden an und korrigierte seine für 2022 erwartete Atomstromproduktion nach unten.

Ausufernde Kosten und technische Probleme hatten den Ausbau der Atomkraft durch EDF zuletzt behindert. Für einen umstrittenen Atomreaktor in Flamanville am Ärmelkanal, dessen Bau bereits 2007 begann, wurde erst kürzlich die Betriebsgenehmigung erteilt.

Macrons Atomplan kommt kurz nach der umstrittenen Entscheidung der EU-Kommission, die eine Einstufung von Investitionen in Gas-und Atomkraftwerke unter bestimmten Bedingungen als klimafreundlich erlaubt. Paris setzte sich stark für den Entschluss ein. Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) hat bereits eine Klage gegen die sogenannte Taxonomie angekündigt.

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