Expedition von 1924

Mount Everest: 100 Jahre altes Rätsel gelöst?

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Haben es die beiden Briten Mallory und Irvine 1924 auf den Gipfel geschafft?

Kurz reißt die Wolkendecke auf und gibt den Blick auf den Gipfel frei, da sieht Expeditionsmitglied Noel Odell zwei schwarze Punkte, die sich am Grat bewegen. Es sind, da ist sich Odell später sicher, Mallory und sein Bergpartner Andrew "Sandy" Irvine. An diesem Samstag (8. Juni) ist es 100 Jahre her, dass der vielleicht bekannteste Bergsteiger seiner Generation zum letzten Mal lebend gesehen wurde.

In seiner Heimat gehört Mallorys Expedition in eine Reihe mit anderen "victorious disasters" der britischen Geschichte. Die Niederlage von Robert Falcon Scott im Wettlauf gegen Roald Amundsen zum Südpol gehört dazu, oder auch der Rückzug Hunderttausender britischer Soldaten aus Dünkirchen im Zweiten Weltkrieg. "Die Briten genießen ihre heroischen Niederlagen in Krieg und Abenteuer fast ebenso sehr wie ihre Siege", meint die Zeitung "Financial Times".

Mallorys "Weil er da ist"-Ansatz inspiriere nicht nur die nostalgischen Briten, sondern jeden, der sich für menschliche Leistungen interessiert, schreibt das Blatt. Anthony Harrison von der George Mallory Foundation betont, der Bergsteiger sei ein Beispiel dafür, dass alles möglich sei. Das berühmte Zitat habe Jahrzehnte später sogar US-Präsident John F. Kennedy zu seiner Rede zum Wettlauf ins All animiert.

Ohne Sauerstoff den Everest bestiegen 

Expeditionen wie von Mallory oder Hillary und Reinhold Messner, der 1978 als Erster ohne Sauerstoff den Everest bestieg, sind mit dem heutigen Andrang nicht vergleichbar. Teilweise kommt es zu Staus, so viele Menschen wollen zur gleichen Zeit den höchsten Selfie-Punkt der Welt erklimmen. Die lange Wartezeit in der sogenannten Todeszone über 8.000 Metern, wo man sich wegen des geringen Sauerstoffgehalts nur möglichst kurz aufhalten sollte, ist ein Grund für schwere Verletzungen und Todesfälle.

Heute schaffen es - vor allem dank großer Unterstützung von Sherpas, den einheimischen Bergführern - jedes Jahr 300 bis 400 Ausländerinnen und Ausländer dorthin. Es sind Abenteurer, Monarchen, Milliardäre und Rekordjäger. Ein 80-jähriger Japaner, ein 13-jähriger Amerikaner und mehrere amputierte sowie blinde Menschen waren schon dort. Nach Angaben des Expeditionsarchivs "Himalayan Database" standen bisher mehr als 6.600 Menschen insgesamt 12.000 Mal auf dem Gipfel. Sie hinterlassen kaputte Zelte, leere Sauerstoffflaschen, Essensverpackungen und anderen Abfall, der dem Berg traurige Berühmtheit als höchstgelegene Müllhalde der Erde verschafft hat.

All-Inclusive-Reisen zum Dach der Welt kosten in der Regel 50.000 bis 100.000 Euro pro Person. In den Pauschalangeboten inbegriffen sind Ausrüstung, Sauerstoffflaschen und ein Sherpa-Team, das die Route entlangführt, Gepäck trägt und kocht. Im Basislager gibt es Internetverbindung und bei Interesse auch Gourmetküche.

Everest
© Getty
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Mehr als 300 Menschen verstorben

Doch bei allem Luxus bleibt ein großes Risiko. Mehr als 300 Menschen sind laut "Himalayan Database" bisher auf dem Berg gestorben - mehr als ein Drittel davon Sherpas. Weil es teuer, aufwendig und gefährlich ist, sind Dutzende Leichen bis heute nicht vom Everest geborgen worden. Wer nach oben will, muss an Toten vorbei. Manche Körper dienen sogar als eine Art makabrer Wegweiser.

Bis Mallorys Leiche gefunden wurde, dauert es Jahrzehnte. Erst 1999, vor 25 Jahren, hat eine Suchexpedition endlich Erfolg. Die Hoffnung, dass die sterblichen Überreste des Briten eines der größten Rätsel der Bergsteigerwelt lösen, erfüllte sich nicht. Haben es die beiden Briten 1924 auf den Gipfel geschafft? Befürworter führen unter anderem als Grund an, dass bei Mallorys Leiche das Foto seiner Ehefrau Ruth gefehlt habe, das er am Gipfel deponieren wollte.

Wie eng sich das Paar war, das drei Kinder hatte, zeigen Briefe, die Forscher der Universität Cambridge zum 100. Jahrestag veröffentlicht haben. Und sie spiegeln auch die Gefahr wider, der sich Mallory bewusst war. "Die Kerze erlischt, und ich muss aufhören", heißt es in seinem letzten Brief an Ruth. "Es steht 50 zu 1 gegen uns, aber wir werden uns noch durchsetzen und stolz auf uns sein."

Meinungen gehen auseinander

Schon bei ihren Kameraden waren die Meinungen zu einem möglichen Gipfelerfolg geteilt. Beobachter Odell glaubt durchaus, dass die Briten es geschafft hätten. Sein de-facto-Expeditionsleiter Edward Norton hingegen ist skeptisch. Bergsteiger-Legende Messner, der wenige Monate nach dem Leichenfund mit "Mallorys zweiter Tod" ein Buch über den gelernten Lehrer veröffentlicht, hat schon damals eine klare Meinung: "Es ist eindeutig, dass er gescheitert ist." Für ihn ist entscheidend, dass Mallory und Irvines Kleidung und Schuhwerk für die schwierige Passage vor dem Gipfel völlig ungeeignet gewesen seien.

Klärung erhofft man sich von Mallorys Kamera. Gibt es ein Gipfelfoto? Doch die wird ebenso nie gefunden wie Irvines Leiche. Ob das Rätsel noch gelöst wird? Auch Mallorys Körper ist mittlerweile offenbar vom Everest verschwunden.

Der Verdacht: China könnte die Leichen in den Abgrund gestürzt haben, wie die Zeitung "Guardian" schreibt. Als möglicher Grund gilt, dass die kommunistische Führung den Eindruck verhindern wollte, die Briten hätten es über die chinesische Seite des Bergs auf den Gipfel geschafft, bevor einem einheimischen Team diese Route gelang. Das war 1960 ein Propagandaerfolg. Hillary und Norgay waren 1953 über die nepalesische Seite aufgestiegen. Auf den Berg, der halt da ist.

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