Wegen Korruption

Netanyahu drohen jetzt bis zu zehn Jahre Haft

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Der israelische Premier könnte nicht nur abgewählt werden, sondern auch im Gefängnis landen.

Benjamin Netanyahu ist der erste Regierungschef in Israel, der im Amt angeklagt wurde. Das israelische Recht sieht keine Immunität für den Ministerpräsidenten vor. Netanyahu droht eine Gefängnisstrafe von bis zu zehn Jahren wegen Korruption und drei Jahren wegen Betrugs und Untreue. Sollte das Parlament Netanyahu am Sonntag nach zwölf Jahren im Amt abwählen, könnte er nicht mehr versuchen, als Regierungschef das Immunitätsrecht zu seinen Gunsten zu ändern.

Seine Abwahl würde aber ansonsten "nichts an dem Prozess ändern, da er ohnehin keine Immunität hatte", sagt der Verfassungsrechtler Amir Fuchs vom Forschungszentrum Israel Democracy Institute.

Korruption, Betrug und Untreue 

Netanyahu steht seit Mai 2020 in mehreren Fällen wegen Korruption, Betrugs und Untreue vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirf dem 71-Jährigen vor, seine Macht missbraucht zu haben, um sich eine wohlwollende Berichterstattung in den Medien zu sichern. Außerdem sollen er und Angehörige Geschenke wie Champagner, Schmuck und Zigarren im Wert von 700.000 Schekel (177.300 Euro) angenommen haben - im Austausch gegen Gefälligkeiten und finanzielle Vorteile.

Die Staatsanwaltschaft stützt ihre Anklage auf mehr als 300 Zeugenaussagen. Wegen der Pandemie wurden die Anhörungen mehrmals verschoben.

Netanyahu spricht von Hexenjagd

Netanyahu weist die Vorwürfe zurück und sieht sich als Opfer einer politischen "Hexenjagd". Immer wieder versuchte er, der Strafverfolgung zu entgehen. Als Regierungschef arbeitete er darauf hin, die Macht der Gerichte zu beschränken und das Immunitätsrecht zu seinen Gunsten zu ändern. "Zwei Jahre lang war die Frage, ob Netanyahu das israelische Grundgesetz ändern würde, um den Prozess zu verhindern", sagt Verfassungsrechtler Fuchs. Verliert er sein Regierungsamt, "wird er nicht mehr die Macht haben, dies zu tun".

Der Prozess vor dem Jerusalemer Bezirksgericht könnte sich allerdings über Jahre hinziehen. Wie in Israel oft praktiziert, könnte Netanyahu ein Schuldeingeständnis anbieten, um so einen Freispruch in schwerwiegenderen Anklagepunkten oder eine geringere Strafe auszuhandeln. Im Fall einer Verurteilung kann er zudem Berufung beim Obersten Gerichtshof einlegen.

Als letzter Ausweg bliebe Netanyahu noch, seinen ehemaligen Herausforderer, den designierten Präsidenten Yitzhak Herzog, um eine Begnadigung zu bitten. Dieses Szenario hält Fuchs für unwahrscheinlich und politisch wie moralisch fraglich: "Das wäre ein schrecklicher Rückschlag für die Rechtsstaatlichkeit."
 

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