Ägypten

Opposition will nicht mit Mursi reden

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Das Verfassungsreferendum ist trotz Protesten für 15. Dezember geplant.

Die Opposition in Ägypten hat den von Präsident Mohammed Mursi angebotenen Dialog im Verfassungsstreit ausgeschlagen. Die "Nationale Heilsfront" erklärte am Freitag in Kairo, sie werde an dem für Samstag vorgeschlagenen Gespräch nicht teilnehmen, weil Mursi vollendete Tatsachen geschaffen habe. "Das ist die offizielle Position", sagte Ahmed Said, ein führender Politiker des wichtigsten Oppositionsbündnisses und Chef der liberalen Freien Ägyptischen Partei. Mursi hatte angesichts der jüngsten Gewalt die Vertreter von Opposition und Justiz zum Dialog über die politische Zukunft des Landes eingeladen.

Appelle
Der Reformpolitiker Mohammed ElBaradei appellierte per Twitter an die Opposition, dem Gespräch fernzubleiben. "Ich rufe alle nationalen Kräfte auf, nicht an einem Dialog teilzunehmen, dem die Grundlage eines echten Dialogs fehlt", schrieb ElBaradei. "Wir sind für einen Dialog, der nicht auf Überredungskunst und dem Schaffen vollendeter Tatsachen beruht." Die liberale Wafd-Partei will einer Meldung der staatlichen Nachrichtenagentur zufolge ebenfalls nicht teilnehmen. Sowohl ElBaradei als auch die Wafd gehören der Heilsfront an.

Trotz der jüngsten Proteste, bei denen sieben Menschen ums Leben kamen und hunderte weitere verletzt wurden, hielt Mursi am Termin für den im Eilverfahren durchgesetzten, islamistisch geprägten Verfassungsentwurf fest. Das Referendum soll trotz der Proteste am Samstag nächster Woche stattfinden.

Gegen Mursi gibt es seit Tagen gewaltsame Proteste. Er lehnte es am Donnerstag ab, den für den 15. Dezember angesetzten Volksentscheid über den islamistisch geprägten Verfassungsentwurf zurückzunehmen und bot der Opposition einen "nationalen Dialog" an. Zu einer Beschneidung seiner vor zwei Wochen eigenmächtig erweiterten Machtbefugnisse zeigte er sich nur teilweise bereit. Zurücknehmen würde Mursi demnach den Artikel sechs seines Dekrets vom 22. November, der ihm das Recht gibt, "alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um das Land und die Ziele der Revolution zu schützen". Zu dem besonders umstrittenen Artikel, der die Entscheidungen des Präsidenten der Kontrolle der Justiz entzieht, sagte Mursi jedoch nichts.

Die ägyptische Opposition wollte auch am Freitag wieder gegen den Präsidenten demonstrieren. Auf dem Tahrir-Platz in Kairo trafen Aktivisten Freitag früh Vorbereitungen für eine Kundgebung, die unter dem Motto "Rote Karte" stehen soll.

Besorgniserregende Verfassung
UNO-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay sieht eine Reihe von besorgniserregenden Elementen im Entwurf für die neue ägyptische Verfassung. Der Text verbiete zum Beispiel nicht ausdrücklich Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Religion und Herkunft, sagte Pillay am Freitag in Genf. Die Verfassung würde einige Menschenrechte garantieren, doch gebe es auch "einige sehr besorgniserregende Auslassungen und Unklarheiten", sagte sie. Teilweise seien die Schutzbestimmungen schwächer als in der alten Verfassung von 1971.

Pillay begrüßte in einer Medienmitteilung die Gesprächsbereitschaft von Präsident Mursi. Gleichzeitig bedauerte sie fehlende Fortschritte in Bezug auf die Verfassungsrevision. Die fehlende Beteiligung diverser Akteure am Prozess der Verfassungsänderung gebe Anlass zu ernsthafter Sorge. Dies sei einer der Hauptgründe für die katastrophale Entwicklung der Lage in Ägypten in den vergangenen zwei Wochen, wurde Pillay zitiert.

Die UNO-Menschenrechtskommissarin ging auch auf die Nominierung der Richter des obersten ägyptischen Verfassungsgerichtes durch den Präsidenten ein, sowie auf die Frage der Unabhängigkeit der Justiz. Sie kam zu dem Schluss, dass die Eile, mit der die Verfassungsgebende Versammlung den Text durchgewunken habe, sowie die Umstände, unter denen die Verfassungsrevision zustande kam, die Glaubwürdigkeit des ganzen Prozesses ernsthaft infrage stellten. Sie forderte daher "dringende Maßnahmen, um das Vertrauen in den politischen Prozess und in die neue Verfassung wiederherzustellen".

Obama beunruhigt
US-Präsident Barack Obama zeigte sich am Donnerstag "tief beunruhigt" über die tödlichen Auseinandersetzungen in Ägypten. In einem Telefonat mit Mursi sagte Obama nach Angaben des Weißen Hauses in Washington, führende Politiker aller politischen Lager sollten ihre Differenzen beiseitelassen und sich auf einen Weg vorwärts für Ägypten einigen. Sie müssten ihren Anhängern klar machen, dass Gewalt "unannehmbar" sei.

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