Katalonien

Parlamentspräsidentin wegen "Rebellion" vor Gericht

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Weitere Regionalpolitiker in Madrid vernommen.

Knapp zwei Wochen nach dem Unabhängigkeitsbeschluss des katalanischen Parlaments hat die spanische Justiz am Donnerstag weitere Politiker der abgesetzten Regionalregierung vernommen. Unter den Angeklagten, die zu der Anhörung vor dem Obersten Gericht in Madrid erscheinen mussten, war auch Parlamentspräsidentin Carme Forcadell.

Die 61-Jährige habe zwei Stunden lang ausgesagt und die Fragen der Staatsanwaltschaft beantwortet, berichtete die spanische Zeitung "El Mundo".

Das Gericht hatte die eigentlich für vergangene Woche geplante Vernehmung auf Antrag der Anwälte um eine Woche vertagt. Den Politikern drohen nach Angaben spanischer Medien die Einbehaltung ihrer Reisepässe oder sogar Untersuchungshaft. Wann das Gericht entscheiden will, war zunächst unklar.

Untersuchungshaft

Bereits am vergangenen Donnerstag hatten acht Angehörige der von Madrid entmachteten Regionalregierung vor dem Staatsgerichtshof ausgesagt. Sie sitzen seither in Untersuchungshaft. Forcadell - die anders als der Rest der Regierung noch im Amt ist - und ihre fünf Kollegen müssen hingegen vor den Obersten Gerichtshof, weil sie weiterhin parlamentarische Immunität genießen und deshalb nur dort verurteilt werden dürfen.

Allen Politikern werden Rebellion, Aufruhr und Veruntreuung öffentlicher Gelder vorgeworfen. Allein auf Rebellion stehen in Spanien bis zu 30 Jahre Haft.

Der ehemalige katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont und vier weitere Politiker hatten sich kurz vor Anklageerhebung nach Brüssel abgesetzt. Trotz eines europäischen Haftbefehls sind sie in Belgien weiterhin unter Auflagen auf freiem Fuß, müssen aber eine Auslieferung befürchten. In der kommenden Woche ist eine Anhörung vor einem Untersuchungsgericht angesetzt.

Nach einem Unabhängigkeitsbeschluss des Regionalparlaments hatte die spanische Zentralregierung die katalanische Führung Ende Oktober entmachtet und die Kontrolle über die Region übernommen. Forcadell habe vor Gericht betont, sie erkenne die Entscheidung der Zentralregierung an, berichteten spanische Medien am Nachmittag.

Neuwahlen

Am 21. Dezember sollen in Katalonien Neuwahlen stattfinden. Puigdemonts Partei PDeCat will am Samstag bekanntgeben, wen sie als Spitzenkandidaten aufstellen wird. In einem Interview des belgischen Fernsehens hatte der 54-Jährige erklärt, er sei bereit, sich erneut als Kandidat zur Verfügung zu stellen.

Der spanische Regierungschef Mariano Rajoy warnte unterdessen vor größeren Folgen der Katalonien-Krise für die Wirtschaft. Möglicherweise müsse deswegen die Prognose für das Wachstum 2018 erneut gesenkt werden, sagte Rajoy am Donnerstag. "Es betrifft den Tourismus, es betrifft einige Einrichtungen und es betrifft den Handel." Es gebe einige besorgniserregende Zahlen.

Wirtschaftsminister Luis de Guindos sagte indes kurz nach Rajoys Äußerungen, die jüngst von der Regierung gesenkte Prognose berücksichtige bereits die Folgen des Konflikts um die Unabhängigkeitsbestrebungen in der wohlhabenden Region. Sollte sich die Lage in den nächsten Wochen bessern, sei sogar eine leichte Anhebung möglich.

Wegen der Katalonien-Krise hatte die Regierung in Madrid im vergangenen Monat die Prognose für das Wirtschaftswachstum 2018 von 2,6 auf 2,3 Prozent gekappt. Hintergrund ist die Verunsicherung von Firmen, Investoren, Verbrauchern und Touristen. Die Geschäfte der spanischen Industrie liefen dennoch im Oktober so gut wie seit zweieinhalb Jahren nicht mehr. Spanien zählt zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften Europas. Im dritten Quartal legte das Bruttoinlandsprodukt um 0,8 Prozent.
 

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