Scharfe Attacken

Putin-Minister provoziert bei 1. Auftritt in der EU

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 Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat seinen Auftritt beim OSZE-Ministerrat am Donnerstag für scharfe Angriffe gegen die westlichen Staaten genützt.  

Die Prinzipien der Helsinki-Schlussakte seien für die NATO "nur leere Worte", sagte Lawrow bei der Jahrestagung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im maltesischen Valletta. Die OSZE "spiele in keinem Bereich mehr eine sinnvolle Rolle", und die EU unterstütze "das Nazi-Regime in Kiew".

Lawrow warf den westlichen Staaten vor, die menschen- und völkerrechtlichen Prinzipien der während des Kalten Krieges unterzeichneten Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa "selektiv" anzuwenden, um ihre Hegemonie in Europa, aber auch dem Indopazifik auszudehnen. Konkret warf er der NATO vor, mit ihren Luftangriffen auf Serbien im Jahr 1999 "einen mitteleuropäischen Staat zum Zerfall gebracht zu haben". Dass die Angriffe mehrere Jahre nach der Unabhängigkeit jugoslawischer Teilrepubliken von Belgrad erfolgte und eine Reaktion auf die Vertreibung der albanischen Bevölkerung im Kosovo war, erwähnte er nicht.

Leugnung von Bucha-Massaker

Lawrow kritisierte die Verweigerung des Einreisevisums für seine Sprecherin Maria Sacharowa beim aktuellen OSZE-Treffen. Die Bemühungen westlicher Staaten, die Organisation durch bilaterale Zuwendungen am Leben zu erhalten, bezeichnete er als Angriff auf das geltende Konsensprinzip. Die OSZE versage, indem sie keine Untersuchungen zu den Nord-Stream-Explosionen oder der Einschränkung von Minderheitenrechten in der Ukraine durchführe. Auch wäre es nötig, eine Untersuchung der Vorgänge im Kiewer Vorort Butscha im April 2022 durchzuführen, als dort "Leichen sorgfältig ausgelegt wurden und Journalisten auf dem Tablett serviert wurden", relativierte der auf einer EU-Sanktionsliste stehende Politiker das Massaker an der dortigen Zivilbevölkerung.

Mit seinen Aussagen schien Lawrow die vom polnischen Außenminister Radoslaw Sikorski zu Beginn geäußerte Erwartung zu erfüllen, wonach er seine Rede zur Verbreitung von "Lügen" nutzen werde. Eröffnungsredner im Plenum war der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha gewesen, der auf das Leiden der Zivilbevölkerung in seinem Land hinwies. Der amtierende OSZE-Vorsitzende Ian Borg hatte zuvor keinen Zweifel daran gelassen, dass Russland die Grundprinzipien der OSZE verletze und sofort mit seinem Krieg aufhören müsse. Zugleich betonte er, dass die Organisation "eine wichtige Rolle am 'Tag danach'" in der Ukraine spielen könne.

Erstmals seit Krieg auf EU-Territorium

Für Lawrow ist es der erste Besuch eines EU-Staates seit Beginn des russischen Aggressionskrieges in der Ukraine vor fast drei Jahren. Laut einem Bericht der Staatsagentur TASS landete Lawrow am späten Mittwochabend in Valletta. Die Einreise ist umstritten, weil er mit EU-Sanktionen belegt ist. Vor zwei Jahren ließ ihn der damalige polnische OSZE-Vorsitz nicht am Jahrestreffen der Organisation teilnehmen, im Vorjahr kam er zum Treffen nach Nordmazedonien. Mit dabei war damals auch seine Sprecherin Sacharowa, der nun aber die Einreise verweigert wurde, dem Vernehmen nach, weil die Schengen-Staaten kein Einvernehmen über die Aufhebung des geltenden Einreiseverbots erzielen konnten.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) wies die Kritik an der Teilnahme Lawrows zurück. Es gebe zwar große Auffassungsunterschiede in Europa, "aber es ist notwendig, dass irgendeine Form von Dialog, irgendeine Plattform weiterhin da ist, wo alle zusammenkommen", sagte er am Rande der OSZE-Tagung vor österreichischen Journalisten. Was den Ukraine-Krieg betrifft, so würde jetzt schon mehr vom "Tag danach" in der Ukraine und die mögliche Rolle der OSZE gesprochen, auch wenn es noch keine konkreten Änderungen gebe. "2025 wird ein spannendes Jahr, ein Jahr der Änderungen."

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